Demokratie lebt vom Widerspruch!
Liebe Genossinnen, liebe Genossen, liebe Gäste,
Demokratie lebt vom Widerspruch!
Es ist höchste Zeit, Stopp zu sagen, gegen die wachsende Schere zwischen Armut und privatem Reichtum in Deutschland. Denn sie lässt das soziale Miteinander und den Gemeinsinn brüchig werden und schafft Raum für Egoismus, Angst und Resignation.
Sie reduziert Politik und Mitbestimmung im Grunde immer weiter auf Abbau und Sparen.
Soziales Miteinander und alles das, was Menschen zum Leben brauchen, muss sich stets und ständig mit betriebswirtschaftlichen Kennziffern messen lassen.
Eine solche Schere zwischen arm und reich verwehrt viel zu vielen Menschen immer noch ein Stück weit mehr die Teilhabe an Bildung, an Politik, an sozialem Miteinander, an Kultur und Kunst – eben an dem, was die Gesellschaft im Innersten zusammenhält.
Und es geht der Demokratie schleichend an den Kragen weil die Ängstlichen sich nicht wehren, weil viel zu viele Bürgerinnen und Bürger das Gefühl nicht los werden, es gäbe gar nichts mehr zu entscheiden, weil nicht mehr wirklich klar ist, wer das letzte Wort hat in politischen und damit in den uns alle betreffenden Fragen: die Player der Finanz- und Realwirtschaft mit betriebswirtschaftlicher Denke und dem Sinn nach Mehrwehrt oder Bürgerinnen und Bürger in kontroversen, aber demokratischen und verantwortungsvollen Aushandlungsprozessen, in Aushandlungsprozessen in denen wirtschaftliches Interesse eines von vielen Dingen ist, aber nicht mehr das allein Bestimmende.
Es ist höchste Zeit Stopp zu sagen, gegen eine Arbeitswelt, die immer mehr Menschen krank macht, weil sie im wahrsten Sinne des Wortes alles fordert und zu wenig gibt.
Inzwischen sind es ca.15 bis 16 Millionen Menschen, die in mehr oder weniger prekäre Beschäftigung gedrängt worden sind. Ein ganz großer Teil davon nicht wirklich freiwillig.
In Sachsen-Anhalt brauchen über 67.000 erwerbstätige Menschen am Ende des Monats das Geld vom Amt, allein deshalb, weil ihr Einkommen unter der Armutsgrenze liegt. Die Zahl der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter – in aller Regel mit weniger Geld und mit weniger Beteiligungsrechten unterwegs – hat sich seit ihrer Einführung mehr als verdreifacht. Mehr als 20% der Beschäftigten arbeiten für viel zu kleines Geld, sehr großen Teils weit unter einem Stundenlohn von 8.50 EUR.
Liebe Genossinnen und Genossen,
es ist höchste Zeit Stopp zu sagen, einer Energiewende, die die notwendige Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern verspielt, weil sie zu Lasten von GeringverdienerInnen geht.
Die Extrakosten für den Ökostrom nach dem Gesetz für erneuerbare Energien (EEG) kosten für die ärmsten 10% der Haushalte monatlich 1.2% des Einkommens. Die reichsten 10% der Haushalte zahlen hingegen lediglich 0.2% des monatlichen Einkommens.
Und um sich ein Bild davon zu machen: Es macht einen spürbaren Unterschied, ob ich 100 bis 130 Euro im Jahr zusätzlich von einem Monatsgehalt von ca. 1000 EUR oder ob ich das von einem Monatsgehalt von ca. 5.000 Euro bezahle.
Auch umweltfreundliche Solarzellen auf dem Dach können sich die wenigsten GeringverdienerInnen leisten.
Die Folge davon ist:
Staatliche Beihilfen subventionieren vor allem die besserverdienenden Haushalte. Ja, auch das ist eine weitere Strategie der Umverteilung von unten nach oben!
An diesem Beispiel, liebe Genossinnen und Genossen, zeigt sich sehr klar, dass eine ökologische Politik, die auf dem sozialen Auge sehschwach ist, geradezu scheitern muss. Denn sie treibt die Gesellschaft weiter auseinander und sie ruiniert die Akzeptanz eines großen Teils von Menschen.
Es ist also höchste Zeit den Widerspruch und den Protest gegen die soziale Schieflage zu unterstützen, die der schwarz-gelbe Energiewandel produziert.
Zum anderen braucht es den klaren Widerspruch dagegen, dass Geringverdiener und Geringverdienerinnen hier ziemlich platt und durchsichtig in argumentative Geiselhaft gegen den notwendigen ökologischen Umbau genommen werden.
Liebe Genossinnen und Genossen,
es ist höchste Zeit Stopp zu sagen, einer Politik, die die ungleichen Verhältnisse zwischen Ost und West immer weiter fortschreibt.
Die Einkommen im Osten liegen immer noch satte 20% hinter denen der Beschäftigten in den alten Ländern.
Der Rentenwert Ost liegt mit etwas weniger als 25 Euro immer noch 12% hinter dem Rentenwert West. Auch die Kompetenz ostdeutscher Beschäftigter ist – gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung – das sind ca. 18% – nur halb so viel gefragt wie die ihrer westdeutschen Kollegen. Lediglich 7.5% der Eliten in den Führungsetagen von Politik, Wirtschaft und Verwaltung kommen aus den neuen Ländern – so der Magdeburger Soziologe Raj Kollmorgen.
Liebe Genossinnen und liebe Genossen,
natürlich leben wir nicht am Rande des Weltunterganges, natürlich ist das nicht die Perspektive aller Menschen hierzulande. Natürlich haben die Umbauprozesse der vergangenen 20 Jahre gerade in den neuen Ländern viel hervorgebracht:
Wir haben eine Reihe von Leuchttürmen hervorragender wissenschaftlicher und technologischer Innovationen hier in Sachsen-Anhalt.
Auch wenn hierzulande für Forschung und Entwicklung lediglich ein Drittel dessen ausgegeben wird, was in den alten Ländern zur Verfügung steht.
Auch wenn der hiesige Finanz- und Superminister mit sozialdemokratischer Richtlinienkompetenz hier weiter mit dem Rasenmäher unterwegs ist und wahrscheinlich auch bleibt. Wir haben viele sanierte Innenstädte.
Immer mehr Kinder und Jugendliche lernen in sehr schönen und zweckmäßig gestalteten Kitas und Schulen. Wir haben Unternehmen, die leistungsfähig sind und ihren Beschäftigten gute Arbeit bieten.
Wir wären unglaubwürdig, würden wir diese Seite des Lebens verschweigen.
Aber liebe Genossinnen und Genossen,
der Gewinn daraus ist höchst ungerecht verteilt. Viel zu viele Menschen – vor allem in den neuen Ländern – schöpfen zu wenig materiellen, finanziellen und auch sozialen Gewinn daraus.
Und wir wären nicht DIE LINKE, würden wir nicht immer wieder die Perspektive derjenigen auf die Tagesordnung bringen, die von finanziellen Nöten von kultureller Ausgrenzung betroffen sind.
Es geht um die Perspektive derjenigen, die viel zu wenige Bildungschancen haben und so in ihrer Entwicklung und ihrem Engagement behindert werden.
Es geht um die Reinigungskraft, die in der Mittagspause in der Kita davon erzählt, dass ihre Tochter allein deshalb im Einkaufsmarkt keinen Job bekommt, weil sie alleinerziehend ist.
Es geht um die Betriebsrätin, die trotz Drangsalierung oder gar subtiler Kündigungsdrohung in Tarifkonflikten ihren Kopf hinhält – auch für diejenigen, die sich noch eher ängstlich zurückhalten.
Es geht um die Bürgermeisterin, die lediglich entscheiden kann, ob sie die Bibliothek schließt oder die Ausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe trotz steigendem Bedarf deckelt.
Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland haben sozialen Nachholbedarf! Wir brauchen eine AGENDA sozial statt der Neuauflage einer AGENDA 2010!
Dafür gibt es viele Verbündete, um deren Aufmerksamkeit, um deren Vertrauen und um deren Zusammenarbeit wir werben:
- die Professorin, die sich mit Witz und Intelligenz neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit auch öffentlich zu Wort meldet für längeres gemeinsames Lernen, gegen Ausgrenzung und Ignoranz,
- der Millionär, dem es sehr einleuchtend ist, dass er zu viel des Guten hat und stattdessen eine Millionärssteuer einfordert,
- der Unternehmer, der sich redlich müht, ein vernünftiges Arbeitsklima zu schaffen und zuerst seinen Angestellten einen vernünftigen Lohn zahlt.
Es sind nicht nur wir, liebe Genossinnen und Genossen, die wissen, dass es ohne die Begrenzung von unverschämtem Reichtum nicht wirklich soziale Gerechtigkeit und Freiheit geben kann.
Es sind nicht nur wir, liebe Genossinnen und Genossen, denen es um Vernunft und Verantwortung geht.
Aber: Eine Politik für mehr soziale Gerechtigkeit braucht DIE LINKE als Verbündete und braucht DIE LINKE als Korrektiv.
"Ohne uns ist kein Staat zu machen, jedenfalls kein sozial gerechter und in diesem Sinne ein freiheitlicher Staat."
Liebe Genossinnen und Genossen!
sozialen und kulturellen Konflikten und Auseinandersetzungen die aus empfundener Ungerechtigkeit und Ausgrenzung entstehen, ist nicht mit der Einschränkung von Freiheit und Bürgerrechten beizukommen, wie es SPD und CDU in ihrem Gesetz für Sicherheit und Ordnung praktizieren.
Schulversagen – oder genauer gesagt: wenn die Schule versagt, kann das der Jugendarrest lediglich noch schlimmer machen.
Denn das alles setzt lediglich am Ende einer problematischen Kette an, an deren Anfang die Dinge bereits aus dem Ruder laufen: in problembeladenen Stadtvierteln, in schwierigen Familien, in der Schule.
Gegen den Rückzug von Bürgerinnen und Bürgern aus demokratischer Beteiligung und ehrenamtlichem Engagement, hilft nicht das Abkürzen demokratischer Prozesse oder die vermeintliche Effektivierung von kommunaler Demokratie in der Kommunalverfassung.
Und: Vom nötigen und zugleich anstrengenden Widerspruch gegen Alltagsrassismus und Fremdenfeindlichkeit, wird uns kein NPD-Verbot entlasten und es darf uns kein NPD-Verbot entlasten.
Hier ist jede und jeder Einzelne selbst gefragt!
Moderne linke Politik stellt Fragen nach einer anderen Gesellschaft, nach Alternativen, die im Hier und im Heute ihren Anfang nimmt.
Und: Moderne linke Politik stößt auf Interesse in unserer Gesellschaft!
Und genau deshalb ist höchste Zeit, für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, der bei mindestens 10€ Stundenlohn einsteigt. Schon allein deshalb weil ihm ansonsten der lange Atem fehlt, der gegen die Armut im Alter nötig ist.
Wir brauchen neben einer eigenständigen Kindergrundsicherung, eine sanktionsfreie Grundsicherung von mindestens 500€ für Arbeitsuchende.
Neben der notwendigen Reform des Rentensystems soll eine solidarische Mindestrente diejenigen vor Altersarmut schützen, die weite Teile ihres Erwerbslebens entweder anderen geholfen haben oder aber für viel zu wenig Geld erwerbstätig waren.
Im Zuge der Energiewende gehören Stromsperren verboten. Wir wollen eine Grundversorgung für alle Haushalte und sozial gestaffelte Preise für Energie.
Reichtum muss geteilt werden, denn Teilen macht nicht nur Spaß, sondern ist auch richtig nötig, um Gerechtigkeit herzustellen, um Armut zu bekämpfen und vieles von dem, was alle brauchen, auch allen zugänglich zu machen.
Für das beste aller Wahlprogramme – so finden wir das zumindest – liegt uns ein Entwurf vor, der breit diskutiert wird – unter uns und mit allen, die interessiert daran sind, wie eine andere Gesellschaft gebaut werden könnte.
Und: Wir haben Kandidatinnen und Kandidaten, die neugierig machen auf Mehr!
Der Landesvorstand hat in geheimer Einzelwahl euch, liebe Vertreterinnen und Vertreter, einen Vorschlag gemacht.
Die Kreisvorsitzenden und die anwesenden Mitglieder des Landesausschuss haben ihn am vorvergangenen Freitag unterstützt.
Dr. Petra Sitte schlagen wir vor als unsere Spitzenkandidatin, weil sie uns durch Widerspruch, Engagement und beeindruckende Kompetenz in der Sache immer wieder Entwicklung und Auseinandersetzung zumutet, weil sie mit Klischees bricht und dadurch Menschen neugierig macht auf uns und das was uns wichtig ist.
Jan Korte ist ein Kämpfer vom Herrn, nicht nur gegen den Verfassungsschutz, sondern vor allem für mehr Bürgerrechte und Demokratie.
Und: Was in anderen Parteien als Generationswechsel beschrieben wird, hat bei uns schon parlamentarische Erfahrung.
Katrin Kunert vertritt ein Politikfeld, was wie kaum ein anderes Brennglas dafür ist, wie schwierig sich die Balance gestaltet zwischen unseren Idealen und den kommunalpolitischen Mühen der Ebenen.
Roland Claus vertritt ein ganz wichtiges Essential der neuen Länder – nämlich nicht nur unsere Forderung nach einer Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West. Wir wollen Mehr! Wir wollen unsere Erfahrungen einbringen, davon, wie es gelingen kann, prekäre Regionen – wie sie nicht nur in den neuen Ländern zu finden sind – auf entwicklungsträchtige Pfade zu bringen.
Rosemarie Hein vertritt kompetent und engagiert das Politikfeld, was eine der wichtigsten Ressourcen für ein selbstbestimmtes Leben im Auge hat: gute Bildung für alle, gleich welchen Alters und gleich welcher Herkunft.
Ich bin überzeugt, dass wir den Wählerinnen und Wählern heute ein gutes Angebot machen werden. Den Kandidatinnen und Kandidaten drücke ich ganz besonders die Daumen für ein gutes und überzeugendes Wahlergebnis.
Liebe Genossinnen und Genossen,
Demokratie lebt vom Widerspruch!
Mit anderen Worten: Zu sagen, was ist! – so haben es Ferdinand Lasalle und Rosa Luxemburg auf einen kurzen Punkt gebracht.
Genau das – so haben die vergangenen Jahre leider gezeigt – haben SPD und GRÜNE leider verlernt. Opposition ist bei ihnen – frei nach einem alten Franzosen – immer eher die Kunst, so geschickt dagegen zu sein, dass man später dafür sein kann.
Politische Glaubwürdigkeit, das ist stattdessen unser Einsatz, das ist das, was wir zu bieten haben.
Deshalb braucht es die Konsequenz, die Bodenhaftung, die Widerständigkeit (Widerborstigkeit) und auch die Kompetenz in der Sache.
Deshalb braucht es eine starke und moderne LINKE: in den sozialen Bewegungen, in den Erwerbsloseninitiativen, in den Gewerkschaften wie auch in der Nähe verantwortungsvoller und kritischer Unternehmer, in den Studierendenbewegungen, wie in den kritischen Wissenschaften.
Und liebe Genossinnen und Genossen:
Wir wollen und wir brauchen eine starke Fraktion im nächsten, im 18. Deutschen Bundestag!
In 162 Tagen wollen und werden wir erfolgreich sein.
Dazu brauchen wir jede und jeden von uns.
Dazu brauchen wir den lebendigen Diskurs mit unseren Wählerinnen und Wählern. Dazu brauchen wir anschlussfähige und sympathische politische Forderungen und Vorschläge.
Dazu brauchen wir originelle Ideen für einen lebendigen Wahlkampf!
Es gibt viel zu tun, also fangen wir damit an!
Ich wünsche uns einen erfolgreichen Tag heute und damit einen spannenden Auftakt für die Bundestagswahl 2013.
– Es gilt das gesprochene Wort –