Rede von Wulf Gallert 

auf der 2. Tagung des 5. Landesparteitages
am 20./21. Juni 2015 in Magdeburg


Birke hat bereits in ihrer Rede wesentliche inhaltliche Positionen unserer Partei für den bevorstehenden Wahlkampf dargestellt. Deshalb will ich mich in meinem Redebeitrag, der auch als Bericht des Fraktionsvorsitzenden gedacht ist, auf die politische Auseinandersetzung im Land konzentrieren, so, wie sich uns zurzeit im Landtag und außerhalb davon darstellt. 

Im Zentrum der aktuellen Debatte steht vor allem die Situation in unserem Land und wie sie von den Menschen in diesem Land wahrgenommen wird. Und es ist überhaupt nicht vermessen, davon zu sprechen, dass wir als Oppositionsführerin zurzeit einen hohen Zuspruch erfahren, natürlich vor allem deshalb, weil uns die Menschen im Land als einen verlässlichen Partner kennen und wissen, dass wir nicht nur richtige Positionen haben, sondern auch kompetent sind, diese umzusetzen. Allerdings spielt hier auch ein zweiter Faktor eine große Rolle, nämlich die Tatsache, dass jeden Monat deutlicher wird, dass die CDU-SPD-Koalition unter Führung des Ministerpräsidenten Haseloff diesem Land in seiner Entwicklung nicht geholfen, sondern geschadet hat und dass dies an ganz verschiedenen Stellen immer deutlicher wird.

Und es ist auch nicht vermessen zu sagen, wenn wir heute einschätzen, dass immer mehr Menschen auf einen politischen Wechsel in diesem Land hoffen. Diesen Satz: „Das geht doch nicht mehr so weiter! Herr Gallert, machen Sie doch mal was!“, habe ich in den letzten Wochen auf meiner Tour durchs Land immer häufiger gehört. 

Für uns, liebe Genossinnen und Genossen, ist es extrem wichtig, dass wir solch eine Stimmung erkennen und als Auftrag an uns verstehen. Die Enttäuschung über die Leistungen der jetzigen Landesregierung reichen nicht aus, sie werden keine Änderungen in diesem Land bringen, wenn es uns nicht gleichzeitig gelingt, den Menschen zu vermitteln, dass es nicht nur theoretische inhaltliche Alternativen gibt, sondern, dass diese auch Realität werden können. Von ganz zentraler Bedeutung für unseren Wahlerfolg wird sein, ob die Menschen einen politischen Wechsel in Sachsen-Anhalt für möglich halten, denn ohne diese Überzeugung wird es uns kaum gelingen, deutlich mehr Menschen dafür zu gewinnen, uns ihre Stimme zu geben. Das stärkste Argument der Koalition im Bund wie in Sachsen-Anhalt ist die Hoffnungslosigkeit vieler Menschen, Veränderungen wirklich herbeiführen zu können. Es ist die mit dem Begriff Alternativlosigkeit getarnte Hoffnungslosigkeit, die dazu führt, dass Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, sich aus den politischen Prozessen verabschieden, dass diejenigen, auf deren Rücken Politik gemacht wird, sich nicht mehr dagegen wehren, weil sie die Hoffnung verloren haben, es erfolgreich tun zu können. 

Unsere zentrale Aufgabe muss neben der Vermittlung unserer Inhalte der Kampf gegen diese Hoffnungslosigkeit sein. Viele Menschen werden auf uns schauen, und sie tun es teils hoffnungsvoll, teils abwartend. Und wir werden sie nur für uns begeistern können, wenn wir selbst die Überzeugung ausstrahlen, Dinge wirklich ändern zu können. Und dazu zählt eben auch, die Überzeugung zu vermitteln, dass wir diese Landesregierung ab dem Frühjahr nächsten Jahres führen werden.

Nun habe ich schon im April auf unserem letzten Parteitag viele Fragen gehört, die sich mit den Positionen potenzieller Koalitionspartner, den Sozialdemokraten und den GRÜNEN, beschäftigen. 
Und, liebe Genossinnen und Genossen, auch zwei Monate später können wir diese Fragen nicht mit wirklicher Gewissheit beantworten. Aber überlegen wir doch einmal selbst: Viele von uns sind seit langer Zeit politisch aktiv und wir haben doch Erfahrung darin, wie man ein politisches Klima beeinflussen kann, um Mehrheiten zu erreichen. Und ich sehe viele Kommunalpolitiker vor mir, die das seit Jahren sehr geschickt organisieren. 

Natürlich wird das auf der Landesebene nicht einfach sein. Wir werden uns in den nächsten Monaten im Wahlkampfmodus befinden, und da sind Sozialdemokraten und GRÜNE natürlich Konkurrenten, mit denen wir uns auseinander zu setzen haben, so, wie wir es im Landtag auch tun. Hier vor allem mit der SPD, weil die nun einmal Teil der Koalition ist. Die Frage aber lautet, wie wir das tun werden und wofür wir sie kritisieren.

Die erste zentrale Botschaft ist, dass wir die Auseinandersetzung mit unserem Hauptkonkurrenten, der CDU, führen müssen, weil die politischen Differenzen hier am größten und die Alternativen am deutlichsten sind. Letztlich ist es die CDU, die dem Land in bestimmender Art und Weise den Schrumpfungskurs verordnet hat, dessen Folgen wir jetzt alle erkennen. Letztlich ist es die CDU, die Bildungsprivilegien erhalten will, die die Subventionsmentalität in der Wirtschaft bedient und möglichst rigide in gewünschte und nichtgewünschte Flüchtlinge unterscheidet. Letztlich ist es die CDU, die an vorderster Front sozialökologische Aspekte als für die Wirtschaft störend vom Tisch wischt. Letztlich ist es die CDU, für die schon die Unterschrift eines Betriebsrates auf einem Fördermittelbescheid unerträgliche Bürokratie bedeutet. Deshalb, liebe Genossinnen und Genossen, und nicht aus taktischen Gründen, werden wir diesen Wahlkampf vor allem auf eine Auseinandersetzung mit der CDU ausrichten. Unsere politische Erfahrung sagt uns, dass die Entscheidung vor allem der Sozialdemokraten, davon abhängen wird, wer in dieser Auseinandersetzung Boden gut machen kann. Wir müssen ein politisches Klima erzeugen, in dem Sozialdemokraten gar nicht mehr so weiter machen können wie in den letzten neun Jahren.

Nun höre ich den einen oder anderen berechtigten Einwand, dass die Sozialdemokraten an vielen Stellen den von mir beschriebenen Ansatz der CDU ja mitgemacht haben und an einigen Stellen scheinbar sogar voranmarschiert sind, wie der Koll. Bullerjahn jahrelang bei Kürzungen in den Bereichen von Schulen, Polizei oder Hochschule, deren Folgen übrigens jetzt hektisch kaschiert werden sollen. Ja, und natürlich ist es so, dass die CDU in den letzten Jahren in diesen Fragen außerordentlich geschickt agiert hat. Sie hat im SPD-Finanzminister und auch im Kultusminister Personen gefunden, die CDU-Politik so konsequent durchgesetzt haben, dass man sich bequem dahinter verstecken konnte. Wir sind in den letzten Monaten alle davon Zeugen geworden, wie sich vor allem CDU-Landtagsabgeordnete in den eigenen Wahlkreisen vom eigenen Regierungshandeln distanziert und die Schuld für Missstände der SPD zugewiesen haben. Aber, liebe Genossinnen und Genossen, davon dürfen wir uns nicht täuschen lassen. Die CDU mag der geschicktere Gegner sein, aber er ist für uns allemal der wichtigere, der entscheidende.

Ich will das kurz an einem Beispiel erläutern: Der noch immer amtierende Ministerpräsident Haseloff hatte vor einigen Wochen eine Reihe von großen Auftritten in überregionalen Blättern und Fernsehstationen zur Frage der mangelnden Förderung von Familien in unserer Gesellschaft. Und was er dort sagte, war durchaus interessant. Er sprach vom Armutsrisiko Kind, das die Flexibilität am Arbeitsmarkt nun einmal beeinträchtigt und unter unseren heutigen Bedingungen deshalb ein Karrierehindernis darstellt. Er sprach davon, dass viele Förderinstrumente, die es bei uns gibt, Familien mit Kindern nicht wirklich oder nur unzureichend erreichen. 

Als Beispiel nannte er die viel zu geringe Kindergelderhöhung, die jetzt im Bundestag und Bundesrat verhandelt wird. Nun kann man durchaus geteilter Meinung darüber sein, ob es nicht besser wäre, mehr öffentliches Geld in öffentliche Bildung und Betreuung zu investieren als über das Ehegattensplitting Geschenke zu verteilen. Aber natürlich ist auch die Erhöhung des Kindergeldes eine legitime Forderung. Wir wollen sie ja zur Kindergrundsicherung ausbauen.

Interessant ist nur, was nach all diesen Zeitungsartikeln und Fernsehinterviews wirklich in der aktuellen Gesetzgebung von Haseloff gemacht wurde, und deshalb haben wir einmal nachgefragt, was Sachsen-Anhalt denn nun im Bundesrat beim Kindergeld beantragt hat – übrigens eine Frage, in der andere Bundesländer im Bundesrat durchaus aktiv geworden sind. Die Antwort, liebe Genossinnen und Genossen, war absehbar: Nichts, gar nichts ist passiert! Sachsen-Anhalt hat sich aus der Diskussion im Bundesrat vollständig herausgehalten. Interessant ist übrigens auch, dass all diejenigen, die Haseloff als besonders familienfreundlich präsentiert haben, diesen Fakt wiederum vollständig ignoriert haben. Deswegen ist es so wichtig, dass wir der CDU solche Dinge nicht durchgehen lassen. 

Im Grunde genommen lässt sich unsere Auseinandersetzung der nächsten Monate mit zwei zentralen Themen beschreiben: Wir müssen uns als bessere Alternative zur CDU darstellen, und wir müssen den Menschen die Hoffnung und die Überzeugung vermitteln, dass ein politischer Wechsel wirklich möglich ist.  

Wenn ich hier heute über Hoffnung und Aufbruch rede, dann meine ich damit nicht nur die Hoffnung auf einen politischen Wechsel, dann meine ich auch die Überzeugung, dass man Prozesse in unserem Land politisch gestalten kann. Denn eines unserer Probleme besteht in Sachsen-Anhalt darin, dass es Regionen in unserem Land gibt, in denen viele Menschen leben, die die Hoffnung in politische Gestaltungsfähigkeit verloren haben. Nicht nur, aber eben auch diese Landesregierung hat viel Spaß daran gehabt, demografische Schrumpfungsprozesse in unserem Land darzustellen, um daraus die Notwendigkeit abzuleiten, öffentliche Daseinsvorsorge abzubauen und sich aus dem ländlichen Bereich zurückzuziehen. In den letzten zwei Jahren erlebten wir das an dem Beispiel der Debatte um die Grundschulstandorte und des STARK III-Programms. Auch auf diesem Feld wird jetzt kurz vor der Wahl hektisch zurückgerudert.

In diesem Wahlkampf wird es von uns von zentraler Bedeutung sein, eine Alternative aufzuzeigen, eine Alternative zur vermeintlich alternativlosen Abwärtsspirale. Natürlich dürfen wir dabei nicht den Eindruck vermitteln, dass es ohne jegliche Veränderung gehen wird. Unser zentraler Ansatz für diesen Bereich aber ist, Vertrauen gegenüber den vor Ort Handelnden zu wagen und ihnen die Ressourcen zur selbstorganisierten Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge zur Verfügung zu stellen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass solche Lösungen durchaus unterschiedlich aussehen können. Dies ist aber die einzige Alternative zu solchen zentralen und in ihrer Wirkung negativen Vorgaben, wie sie jetzt über Landesprogramme, z. B. STARK III, gesteuert werden.

Lasst mich am heutigen Tag noch auf einen letzten Punkt eingehen, der bereits im April eine Rolle gespielt hat: Wir haben als Fraktion vor zwei Wochen eine bis dahin einmalige Veranstaltung durchgeführt, nämlich eine Feier zur Verabschiedung des Dessauer Generalintendanten André Bücker. Wir haben diese Veranstaltung deshalb gemacht, weil sich André Bücker um dieses Land sowohl in Halberstadt als auch in Dessau verdient gemacht hat. 

Darüber hinaus hat er sich mutig gegen die Kürzungspläne der Landesregierung engagiert und wurde dafür von CDU und SPD in Magdeburg und Dessau abgestraft. Wichtig war uns aber auch, dass wir mit dieser Veranstaltung ein Zeichen für ein offenes geistiges Klima gesetzt haben. Ein offenes geistiges Klima, das durchaus einschließt, auch andere Positionen zu Wort kommen zu lassen und sich einer inhaltlichen Debatte zu stellen, statt kleinkariert Macht auszuüben. Unser Anspruch wird es sein, für ein solches geistiges Klima zu wirken und zu werben. Deshalb, liebe Genossinnen und Genossen, haben wir uns u. a. bewusst dazu entschieden, dort auch eine ehemalige CDU-Wissenschaftsministerin einzuladen, deren Grußwort von der stellv. FDP-Landesvorsitzenden verlesen wurde. Und, liebe Genossinnen und Genossen, ihr könnt uns wirklich glauben, dass wir beispielsweise mit Frau Prof. Birgitta Wollf große inhaltliche Differenzen haben. Was uns aber von dieser Landesregierung unterscheidet ist, dass wir trotzdem in der Lage sind, Leistungen anzuerkennen und inhaltlich zu diskutieren, statt diese zu diskreditieren. Das aber unterscheidet uns maßgeblich von der Art und Weise, wie die jetzige Koalition politische Debatten führt: nämlich nicht im Inhalt, sondern über die Bedienung von Abhängigkeiten und vermeintlichen Machtworten. 

Unsere Aufgabe wird es also sein, inhaltliche Alternativen darzustellen, die Überzeugung zu vermitteln, dass ein politischer Wandel möglich ist und dies so zu tun, dass wir in diesem Land überzeugend für ein einladendes und zur Kontroverse herausforderndes Klima stehen. Das sind nur ganze drei Aufgaben. Also ein Plan, den wir doch erfolgreich und gemeinsam abarbeiten können. 

Magdeburg, 20. Juni 2015


Redemanuskript – Es gilt das gesprochene Wort