Rede der Landesvorsitzenden Birke Bull, Landesparteitag 12./13. Oktober 2013
Es gilt das gesprochene Wort.



Liebe Genossinnen und liebe Genossen, liebe Katja,


DIE LINKE bleibt!


DIE LINKE bleibt eine starke und ernst zu nehmende Stimme im nächsten Deutschen Bundestag, in den politischen Auseinandersetzungen auf der Straße und alltäglich in Vereinen, Verbänden und Gewerkschaften.
Demokratie lebt vom Widerspruch: für eine Gerechtigkeitswende in der Steuerpolitik, für mehr soziale Sicherheit – jenseits von Armut und Ausgrenzung, für einen ökologischen Umbau, dessen roter Faden soziale Gerechtigkeit ist. Für eine friedliche Außenpolitik braucht es den Widerspruch einer starken LINKEN! 


Herzlichen Dank an alle, die gekämpft haben. Herzlichen Glückwunsch an alle, die gewählt wurden: Petra Sitte, Jan Korte, Katrin Kunert, Roland Claus und Rosemarie Hein. In dieser Woche hat die neue Bundestagsfraktion ihren Fraktionsvorstand gewählt, Gregor Gysi führt die Fraktion als Vorsitzender. Unsere Abgeordnete Petra Sitte ist in die wichtige Funktion der Parlamentarischen Geschäftsführerin, und Jan Korte als Arbeitskreisleiter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender gewählt worden. Wir wünschen Petra und Jan Erfolg und Kraft in ihrer speziellen Verantwortung für die Fraktion. Es war ein außergewöhnlich intensiver, kreativer und engagierter Wahlkampf. Ausdrücklich möchte ich mich bedanken bei unserem Jugendverband. Er hat unserem Wahlkampf vielerorts ein neues Gesicht gegeben: frisch, kreativ und originell! Auf einen Satz gebracht: Wunderbar,  dass es euch gibt!


DIE LINKE ist gekommen und DIE LINKE wird bleiben!


Ja, liebe Genossinnen und Genossen, unsere Beulen am Gerüst waren nicht alle von der politischen Konkurrenz. Wir hatten ordentlich selbst Hand angelegt – mit eher unappetitlichen Auseinandersetzungen. Das war uns nicht gut bekommen.
Und wenn man es so sieht, dann haben wir uns durchaus stabilisiert. Wir haben gelernt, das Gemeinsame nach vorn zu stellen, wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir  für SympathisantInnen sehr viel anziehender und interessant sind, wenn wir uns politische Kontroversen kulturvoll und sachlich zumuten. 


DIE LINKE bleibt. Sie ist und bleibt dauerhaft Teil derjenigen politischen Kräfte, die im Wort stehen für einen gesetzlichen Mindestlohn – auch wenn es unterschiedliche Auffassungen über dessen Höhe gibt. Sie ist und bleibt dauerhaft Teil derjenigen politischen Kräfte, die im Wort stehen für mehr Gerechtigkeit in der Steuerpolitik – auch wenn die politische Leidenschaft der SPD dabei eine reichlich windige Nummer ist.
Sie ist und bleibt dauerhaft Teil derjenigen politischen AkteurInnen, die sich in ihren jeweiligen politischen Parteien und Zusammenhängen in erster Linie und vor allem darüber streiten, wie man die Risiken des Lebens – Arbeitslosigkeit, Gesundheit, Absicherung im Alter – so gestalten kann, dass es menschenwürdig und gerechter zugeht – und das vor allem für diejenigen, die nicht so viel im Portemonnaie haben oder in schwierigen Verhältnissen leben.

DIE LINKE bleibt. Und deshalb ist eines klar: Ohne DIE LINKE gibt es keinen wirklichen Politikwechsel.


Die Forderungen von SPD und GRÜNEN im Wahlkampf sind in einer Koalition mit der CDU nunmehr nur noch auf ein politisches Almosen geschrumpft, dafür, dass sie sich nunmehr über 20 Jahre lang an die Direktive gehalten haben, DIE LINKE auszugrenzen – selbst um den Preis der eigenen politischen Projekte, selbst um den Preis der eigenen Glaubwürdigkeit. Eine ernst zu nehmende politische Alternative zu konservativer Politik ist vergeigt worden.


Diese Suppe müssen nicht nur SPD und GRÜNE auslöffeln.
Auslöffeln müssen sie vor allem GeringverdienerInnen, deren Stundenlohn sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch die nächsten vier Jahre nicht jenseits der Armutsgrenzen bewegen wird. Das Geld für so notwendige frühkindliche Förderung in der Kita wird fehlen, mit dem Verweis auf die Finanzierung des Betreuungsgeldes.
Die Integration von Migrantinnen und Migranten wird weitere 4 Jahre ein unehrliches Projekt bleiben. Denn allein eine doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht ihnen beides: das Ankommen hier im Land, ohne die eigenen Wurzeln zu kappen.
Kinder und Jugendliche, PädagogInnen und ebenso WissenschaftlerInnen werden es spüren, weil ein unsinniges Kooperationsverbot die gemeinschaftliche Finanzierung von Schulen und Hochschulen, von Bildung und Wissenschaft unmöglich macht. In den strukturschwächeren Ländern, in vielen Städten und Gemeinden wird es Folgen haben, wenn die Haushalte weder zum Leben noch zum Sterben reichen. 
Viele Kommunen trennen sich von kommunalem Eigentum, sogar von gut gehendem kommunalem Eigentum, um wenigstens ein oder zwei Jahre über die Runden zu kommen. Und eines ist schon vor den Koalitionsverhandlungen so gut wie klar:
Eine notwendige und überfällige Umverteilung zwischen Reich und Arm, zwischen privat und öffentlich wird es in einer künftigen Regierungskoalition nicht geben.
Vieles von dem, was alle drei Parteien im Wahlkampf gefordert und vorgeschlagen hatten, ist jedoch ohne eine Gerechtigkeitswende in der Steuerpolitik gar nicht finanzierbar.


Mit einer Legende will ich bei der Gelegenheit aufräumen:
Mit der Drohkulisse allgemeiner Steuererhöhungen wird wieder mal eine nützliche Pappkameradin aufgebaut. Uns geht es aber nicht darum, Familien mit normalem oder auch gutem Einkommen oder gar GeringverdienerInnen mehr zu besteuern. Nein!
Uns geht es um darum, BestverdienerInnen und Superreiche endlich angemessen zur Kasse zu bitten, um die Lasten der Krise zu schultern, um mehr in Bildung und Kultur, in Wissenschaft, Innovation und Forschung zu investieren, um soziale Sicherungssysteme armutsfest und menschenwürdig zu gestalten, um kommunale Selbstverwaltung wieder mit Leben zu füllen. Und letztlich geht es uns auch darum, bauliche Infrastruktur zu erhalten und auszubauen.

Dieser Verlust geht auf die Rechnung der Sozialdemokratie! Da beißt die Maus keinen Faden ab. Man möchte sich die Haare raufen. 

Deshalb muss die Aufgabe für die nächsten Jahre sein: Wir brauchen einen ehrlichen politischen Diskurs miteinander zwischen SPD, Grüne und LINKEN – auf Augenhöhe.
Wir brauchen ein Mindestmaß von Normalität in der politischen und zwischenmenschlichen Kommunikation.
Die arrogante Strategie, wonach DIE LINKE das Bauernopfer sein soll, was man bringt in der Hoffnung, die Partie allein zu gewinnen, ist gescheitert! Und zwar endgültig. DIE LINKE bleibt!
Dieser Wahlkampf muss der letzte gewesen sein, der diesen Teil demokratischer Bündnisse blockiert hat. 
Hier geht es nicht um verschmähte Liebe, hier geht es um höchst substanzielle Zukunftsfragen. Eine Liebesheirat ist nicht im Angebot.
Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um mehr soziale Gerechtigkeit!


Liebe Genossinnen und Genossen,
in Sachsen-Anhalt droht die Große Koalition damit, die Axt an unsere Zukunftspotenziale anzulegen: Es droht ein Schrumpfungskurs zu Lasten von Bildung und Innovation, zu Lasten von Menschen in schwierigen Lebenslagen und zu Lasten von Kindern und Jugendlichen.
Die finanziellen Kürzungen für die Hochschulen unseres Landes sind mit der Löschung des verbindlichen Haushaltsvermerkes noch nicht vom Tisch.
Entscheidend wird sein, wie das Hochschulstrukturkonzept der Landesregierung Ende des Jahres aussieht. Kürzungen durch die Hintertür müssen verhindert werden! 
Weniger Geld für gehörlose oder blinde Menschen ist das falsche Signal an eine Gesellschaft, die den Anspruch hat, dass alle dazugehören, mitmischen und entscheiden sollen. Und: Es ist einfach Unsinn mit Blick auf den Anspruch, damit den Haushalt sanieren zu wollen.


Kulturelle Angebote kann und darf es nicht nur in den Metropolen geben, darf es nicht nur für diejenigen Menschen geben, die das Geld für die Hin- und Rückfahrt ohne Mühe aufbringen.
Deshalb gehören die Einschnitte für die Theater- und Orchesterlandschaft vom Tisch!
Auch weniger Geld für Kinder- und Jugendarbeit ist Murks. Durch den Wegfall von ca. 2 Mio. Euro 2014 stehen ca. ein Drittel der Stellen in der Kinder- und Jugendarbeit auf der Kippe, darunter Schulsozialarbeiter und SozialpädagogInnen in Jugendzentren.
Und zur Wahrheit gehört eben auch: Wir haben eine der höchsten Schulabbrecherquoten bundesweit. Wir haben einen der höchsten Anteile an Kindern mit Lernschwierigkeiten. Letztlich trifft es vor allem die Kinder, die ohnehin in schwierigen Lebensverhältnissen groß werden müssen. Das kann es nicht sein, und das darf es nicht sein! Das wäre ein Ausverkauf in kleinen Raten. Das ist keine Zukunftsperspektive für Sachsen-Anhalt.


Liebe Genossinnen und Genossen,
vor allem Studierende, Kinder- und Jugendverbände, GewerkschafterInnen, WissenschaftlerInnen und Kulturschaffende haben für sich beschlossen: Es reicht! Es reicht mit dem Regieren nach Tabellen und Rangfolgen. Es reicht mit der Vision „Mittelmaß“. Es reicht mit einem Abbauen, Sparen, Kürzen, Zusammenlegen. Es reicht mit einem perspektivlosen Schrumpfungskurs. Die Proteste gegen die Pläne der Landesregierung waren kraftvoll, emotional und phantasievoll. Und sie sind überaus mutig.
Demokratie lebt vom Widerspruch! So was nenne ich Zivilcourage! 
Wer das als rufschädigend bezeichnet, der ist nicht nur als Wissenschaftsminister durchgefallen, der offenbart vor allem ein völlig verkrustetes Demokratieverständnis!


DIE LINKE wird hierbei auch künftig ganz sicher engagierte Partnerin sein, in den Bündnissen, im Parlament und auf der Straße!
Mit der Kraft einer starken Oppositionspartei und mit dem Rückenwind des Protestes werden wir uns stark machen, diesen Kurs auszubremsen.


Die Landtagsfraktion hat dafür zunächst ausreichende Refinanzierungsvorschläge vorgelegt – für den Haushalt 2014.
Aber wir müssen besser werden, wir müssen konzeptionell zulegen. Wir brauchen längerfristige Strategien – auch in den Ländern – um Politik zu gestalten – und das, wenn's irgend geht, ohne neue Schulden aufzunehmen. Unsere Schwerpunkte sind ohne Leichtpunkte nicht zu haben. Hier brauchen wir mehr Mut! Mehr Mut, uns von den Dingen zu trennen, die zunächst nicht erste Wahl sind und die uns vielleicht Sympathiepunkte bei Lobbyisten kosten können. Und: Wir brauchen längerfristige Strategien – wie wir langfristig mit der sehr hohen Verschuldung in den Ländern umgehen wollen?
Ich freue mich deshalb sehr, dass die Brandenburger LINKE heute so prominent vertreten ist.
Wichtig ist uns, Erfahrungen auszutauschen darüber, wo die Chancen und wo die Risiken und Nebenwirkungen einer linken Haushaltpolitik liegen.


Liebe Genossinnen und Genossen!
Noch ein grundsätzliches Wort zur Schuldenbremse:
DIE LINKE hat sich gegen eine Schuldenbremse ausgesprochen.  Und das aus gutem Grunde!
Und zwar nicht deshalb, weil wir mit ungebremster Nettoneuverschuldung die chronisch unterfinanzierten öffentlichen Haushalte auf Dauer sanieren könnten – das wird langfristig nicht funktionieren
Es geht um sehr Grundsätzliches: Die Schuldenbremse gerät unter den gegebenen Bedingungen der massiven Steuerungerechtigkeit und nach den Plänen der Landesregierung hier in Sachsen-Anhalt zu einer eine sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
Was die Steuerungerechtigkeit angeht: Die öffentlichen Haushalte werden immer weiter ausgezehrt. Allein in diesem Jahr verzeichnen die öffentlichen Haushalte mehr als 50 Mrd. Euro Einnahmeverlust – gemessen an der Steuergesetzgebung aus dem Jahr1998 – dem Jahr vor der rot-grünen Steuerreform. Da wird die Dimension der Bedeutung von Steuerreformen deutlich!


Dadurch wird den Ländern und Kommunen eine solche radikale Abwärtsspirale geradezu aufgedrängt. Und die wiederum verhindert Zukunftsinvestitionen in Bildung und Forschung, nötigt Menschen zum Fortgehen und bremst wirtschaftliche Entwicklung aus.


Um es mal konkret zu machen mit der sich selbst erfüllenden Prophezeiung:
Im Landeskulturkonzept werden so genannte Strukturanpassungen damit begründet, dass es einen Bevölkerungsrückgang und Abwanderung gibt. Aber brauchen die Bleibenden kein Theater? Ist für die Bleibenden der kritische Geist, der mit den Theatern und der Kultur verbunden ist, verzichtbar? Und was passiert denn, wenn man das Theater in der Region schließt? Die anderen Leute packen auch noch ihre Koffer.
Genau das ist die Abwärtsspirale, die in Gang gesetzt wird. Die Abwärtsspirale, die wir kritisieren und die wir verhindern wollen.


Vor diesem Hintergrund ist diese Schuldenbremse nicht etwa der Garant für eine vernünftige Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben, wie es immer wieder suggeriert wird.
Hier geht es nicht um eine Balance, hier es geht um einen einseitigen Druck auf die Ausgaben und um den Druck auf soziale Sicherungssysteme – und zwar zu Lasten der Beschäftigten, zu Lasten von GeringverdienerInnen, zu Lasten von Erwerbslosen, von Alleinerziehenden, zu Lasten von Menschen mit Behinderungen und zu Lasten von jungen Leuten.


Die Schuldenbremse ist das trojanische Pferd einer Politik, die in ihrer Konsequenz das Vermögen von Reichen und Bestverdienenden schützt, die das Vorhalten sozialer Infrastruktur für alle BürgerInnen gleichermaßen für verzichtbar hält und allein auf private Vorsorge setzt.
Und es ist ein Instrument, was auf diese Weise immer mehr lebendige und alltägliche Demokratie untergräbt.


Mit einer solchen Schuldenbremse gerät man auf die schiefe Bahn. Deshalb ist und bleibt eine unserer zentralen Forderungen eine Gerechtigkeitswende in der Steuerpolitik nach vorn zu bringen, um die öffentlichen Haushalte in den Ländern, den Landkreisen, Städten und Gemeinden auch in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge ausreichend zu finanzieren, Pfade für einen sozial-ökologischen Umbau zu entwickeln und in Zukunftsprojekte – vor allem in Bildung und Innovation – zu investieren.


Liebe Genossinnen und Genossen,
Um im Bild zu bleiben: sich auf dieser schiefen Ebene gegen den Strom nach oben zu kämpfen, ist eine große Herausforderung, vor allem in den Ländern, vor allem in den Städten und Gemeinden. Das wissen unsere Landrätinnen, das wissen unsere BürgermeisterInnen, das wissen die KommunalpolitikerInnen, das wissen die Landtagsfraktionen.
Aber auch davor können und wollen wir uns nicht drücken!
Wir müssen auch in der Lage sein, unter schwierigen finanziellen Bedingungen Politik zu machen! Und das tun wir ja auch schon.


Liebe Genossinnen und Genossen!
Deshalb haben wir der SPD ein Angebot gemacht.
Wir haben der SPD ein Angebot gemacht, weil wir immer öfter gefragt wurden: Warum nutzt ihr eure gemeinsame parlamentarische Mehrheit im Parlament nicht? 
Wir haben der SPD ein Angebot gemacht, weil es an der Zeit war, den vorgeblichen Leidensdruck der SozialdemokratInnen nun mal endlich auf Herz und Nieren zu prüfen.


Nun kann man da durchaus auch was dagegen haben – das ist legitim und auch nicht ungewöhnlich für eine lebhafte Demokratie innerhalb unserer Partei.
Die Frage der Regierungsbeteiligung ist ein programmatischer Klassiker in meiner Partei. Und dafür gibt es auch gewichtige Gründe:
Man kann sagen: Die SPD hatte 2011 die Wahl, sie hat sich anders entschieden, und wer nicht hören will, muss fühlen.
Das ist allerdings ein Argument, was die von Kürzungen Betroffenen wohl am allerwenigsten überzeugen würde. Es ist ein Argument, was eher von Eitelkeit und Trotz, als von politischer Verantwortung zeugt.
Man kann auch sagen: Die SPD und die GRÜNEN verantworten die AGENDA 2010
Das war der Beginn eines exorbitanten Sozialabbaus  und es war der Beginn einer Steuerreform, die fortwährend zu einer Aushöhlung der öffentlichen Kassen führt. 
Aber ist es nicht sinnvoller, sie in die Verantwortung zu nehmen, die eigene politische Hinterlassenschaft auszubügeln?
Und wir wissen doch: Es ist sehr viel politischer und konsequenter in der Sache, und im Übrigen auch anstrengender, in die Verantwortung genommen zu werden, die eigene verfehlte Politik zu korrigieren. Und das ist es doch, was wir letztlich wollen, was letztlich zählt: Diese Politik zu korrigieren.


Und wenn – neben unserer außerparlamentarischen Kraft, neben unserer konzeptionellen Denkarbeit – wenn wir außerdem auch in einer Regierung etwas beitragen können, um dieses Land etwas sozialer und gerechter, etwas zukunftsfähiger zu machen, dann können wir nicht sagen, das ist uns zu heiß und die waren ja schon immer Schuld oder da müssten wir ja Kompromisse machen.


Ja Kompromisse gehören zu einer Demokratie! So wie im richtigen Leben auch. Es gibt kein Leben ohne Kompromisse. Wer sich zur Politikfähigkeit in einer Demokratie bekennt, bekennt sich notwendigerweise und zwangsläufig zum Kompromiss. Kompromisse zu machen, ist die einzig mögliche politische Bewegungsform in einer Demokratie. Und wo die Versuchung lauert, die eigene politische Überzeugung in Absolutheit und kompromisslos auf die Ebene des Tagespolitischen übertragen zu wollen – der kriegt ein Problem, der landet über kurz oder lang dort, wo wir nie wieder hin wollen – in einer Diktatur.
Und was wir überall brauchen – ob beim Protestieren, beim Regieren, beim Politik machen – ist: den gesellschaftlichen Druck der Straße, gesellschaftliche Mehrheiten und die Transparenz unserer politischen Forderungen. Wir brauchen den aufgeklärten Bürger und die aufgeklärte Bürgerin. Wir brauchen Mut zum Widerspruch und zum Protest: auf der Straße, in Bündnissen, im Parlament und in Regierungen!


Liebe Genossinnen und Genossen,
Nach der Wahl ist vor der Wahl! Nutzen wir den Schwung des Bundestagswahlkampfes, um uns auch für Kommunalwahlen 2014 gut inhaltlich zu positionieren. Es hat eine Arbeitsgruppe erfahrener KommunalpolitikerInnen gegeben, die einen Entwurf für kommunalpolitische Leitlinien vorgelegt hat. Damit legen wir offen, mit welchen Prämissen wir Kommunalpolitik gestalten wollen. Die sind streitbar und kontrovers und sollen genau das sein. Darüber sollt ihr als Delegierte morgen diskutieren und entscheiden. Wir müssen werben um Kandidaturen. Dazu gibt es Ideen, über die wir in den nächsten Wochen mit allen Kreisverbänden ins Gespräch kommen wollen.


Auch die Europawahlen sind für DIE LINKE eine besondere Herausforderung. Die Europapolitik von Frau Merkel sehen wir kritisch. 
Es ist eine Europapolitik, die gerade strukturschwachen Ländern Osteuropas einen gleichermaßen nutzlosen wie brutalen Schrumpfungskurs aufoktroyiert.
Es ist eine Europapolitik, die vor allem die sozialen Sicherungssysteme nach unten standardisiert.

Das furchtbare Geschehen vor der Insel Lampedusa macht etwas ganz konkret erfahrbar, was im Übrigen seit Jahren dort passiert. Europa soll Festung sein, um den Preis, dass in deren Burggraben massenhaft hilfesuchende Flüchtlinge zu Tode kommen. Was für eine Eiseskälte, was für ein Zynismus!


Die Alternative für Deutschland ist keine Alternative für soziale Gerechtigkeit, für friedliche Außenpolitik oder für eine integrative Europapolitik. Dort geht es einzig und allein um nationale Egoismen und um fremdenfeindliche Ressentiments. Und: Dort geht es – gut erkennbar – darum, Bestverdienende vor dem Zugriff der Gesellschaft oder anderer Staaten zu schützen. Um nicht mehr und nicht weniger. Allein gegen Merkels Europapolitik zu sein, taugt nicht zur Klammer für uns und auch nicht für WählerInnen! Und wenn die Schlussfolgerung heißt: Wir müssen unser europäisches Profil schärfen, dann heißt das für mich nicht, verbal-radikalistisch eine Schippe drauf zu legen. Sondern es heißt: Wir müssen die Schritte entwickeln, mit denen man europapolitisch umsteuern kann. Sie müssen glaubhaft und nachvollziehbar sein. Zurück auf LOS ist in aller Regel kein praktikables Konzept. Europapolitik muss sich aus dem Hier und Jetzt entwickeln!


Und dafür liebe Genossinnen und Genossen: Dafür fehlt uns nun einer! 
Lothar Bisky war für uns Denker, Gefährte und Mensch! Wir werden ihn und das, was ihn ausmachte, in Erinnerung behalten: beim Denken, beim Streiten, beim Innehalten und auch beim Feiern.


Liebe Genossinnen und Genossen, wir haben gemeinsam ein gutes Jahr hingelegt. 
Wir haben nicht alle Wahlen gewonnen, eine aber schon, und zwar gleich beim 1. Wahlgang. Mit der OB-Wahl in Halberstadt haben wir gezeigt: Wir können es, wir können Politik auch im direkt gewählten Amt! Herzlichen Glückwunsch nochmal an dieser Stelle für Andreas Henke und die Harzer GenossInnen! Wir haben gute Chancen, unsere politischen Konzepte weiter zu entwickeln.
Wir haben gute Chancen, uns als Landesverband weiter zu profilieren und eine gewichtige Hausnummer in unserer Bundespartei zu bleiben.
Wir haben gute Voraussetzungen, auch die eine oder andere Kontroverse produktiv zu nutzen, und zwar um unsere Argumente zu schärfen und nicht, um uns gegenseitig zu beschädigen.


Das und nur das macht eine pluralistische Partei anziehend. Nur so werben wir erfolgreich für unsere politische Idee.


DIE LINKE bleibt, liebe Genossinnen und Genossen, eine starke und ernst zu nehmende Stimme für neue soziale Ideen, für 100% sozial auch nach der Wahl!