Anträge

Offensive für das Soziale - Soziale Politik statt sozialer Rhetorik

Leitantrag an die 2. Tagung des 6. Landesparteitages der Partei DIE LINKE. Sachsen-Anhalt am 20. Mai 2017 in Halle (Saale)

Soziale Rhetorik oder konkretes Handeln? Stimmungsmache gegen wenige oder Problemlösungen für viele? Kanzlertausch oder Politikwechsel? DIE LINKE in Sachsen-Anhalt kämpft für den Kurswechsel hin zu sozialer, humaner und friedlicher Politik. Wir machen keinen Ankündigungswahlkampf, wir sind verlässlich seit Jahrzehnten an der Seite der Lohnabhängigen, der Normalverdiener, der Ausgegrenzten. Wir stehen kompetent und glaubwürdig für Solidarität, Sicherheit durch Zusammenhalt sowie eine friedliche Außenpolitik. Dass die herrschende Politik die Interessen von Mehrheiten wieder in den Blick nimmt, ohne Minderheiten und Benachteiligte zu Sündenböcken zu machen, dass die Situation von abhängig Beschäftigten nicht mehr zweitrangig gegenüber der von Reichen und Superreichen ist, dafür steht DIE LINKE bereit.

Seit über 15 Jahren erleben wir ein Kaputtsparen der öffentlichen Haushalte und eine Ökonomisierung aller Lebensbereiche. Das neoliberale Mantra „Der Markt soll es richten“ bedeutet Rückzug des Staates, die Verlagerung von sozialer Absicherung ins Private und gleichzeitig Flexibilisierung der Finanzmärkte sowie Steuerentlastungen für das Kapital. Mit Einführung der Hartz-Gesetze hat sich das Land verändert: Verarmung von Erwerbslosen, Schaffung einer Zweiklassenmedizin, Absenkung der Rente, Ausweitung des Niedriglohnsektors aufgrund des Zwangs, fast jede Arbeit annehmen zu müssen.

DIE LINKE sagt: So kann es daher nicht weitergehen. Das Zurückfahren von sozialen und infrastrukturellen Maßnahmen, die für einen gewissen Ausgleich und eine Angleichung der Lebensverhältnisse stehen, hat wenige Gewinner und viele neue Verlierer produziert. Statt Ausgabenkürzung und Marktdominanz brauchen wir eine Politik für die Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse, für die Perspektive auf sozialen Aufstieg für alle und für den Erhalt sowie den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge. Weil das wirtschaftlich, aber vor allem sozial notwendig und vernünftig ist. Der Neoliberalismus ist gescheitert. Weil sich eben nur Reiche einen armen Sozialstaat und eine schwache öffentliche Infrastruktur leisten können.

 

Politik für den Osten

DIE LINKE setzt mit ihrer Kritik dort an, wo an den Interessen der Mehrheiten vorbei regiert wird, wir fordern eine Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, die Planbarkeit und Selbstbestimmung gewährleisten kann, die sozialen Aufstieg ermöglicht und Abstieg verhindert, die Würde im Alter und bei Krankheit schützt. Eine Steuerpolitik, die von den Superreichen mehr für das Gemeinwohl aller nimmt. DIE LINKE will, dass von dieser Politik mehr bei den Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen-Anhalt ankommt. Politik der LINKEN heißt immer auch Politik für den Osten. Für die Anerkennung von Lebensleistung, für die Beendigung von Lohn- und Rentenungerechtigkeit, für den Erhalt öffentlicher Daseinsvorsorge, auch im ländlichen Raum, für öffentlich geförderte Beschäftigung, für die Verhinderung von Armut und Verarmung im Alter, für ein Sicherheitsnetz bei struktureller Erwerbslosigkeit. Die Schwerpunkte der LINKEN betreffen die Lebenssituation hier in besonderem Maß.

In Sachsen-Anhalt zeigen sich die Konsequenzen neoliberaler Kahlschlagspolitik wie in einem Brennglas. Die rote Laterne ist kein Schlechtreden des Landes, sie ist real und rahmt den Alltag der hier Lebenden. Die schlechten Kennziffern, die Abwanderung oder das niedrige Einkommen sehr vieler, der Abbau zulasten von Bildung, Kultur und Sozialausgaben gehören ebenso zum Land wie der Pragmatismus derer, die hier engagiert, mutig und kreativ sind. Ebenso wie die Neugier und der Innovationsgeist derer, die hier lehren, lernen, forschen und neu gründen. Ebenso, wie die Schönheit von Kulturlandschaft und unserem historischen Erbe. Ebenso, wie die Zuversicht derer, die hier für sich und ihre Kinder den Lebensmittelpunkt gewählt haben oder diesen erst nach Flucht und Vertreibung finden wollen.

 

Gute Arbeit für ein gutes Leben

Fast ein Drittel aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Sachsen-Anhalt erhält nur den Mindestlohn. Das bedeutet Armut trotz Arbeit. Unsere Forderung nach würdiger Bezahlung und sinnstiftender Arbeit ist kein Randthema im Bundesland, im Gegenteil, es betrifft die Lebenswirklichkeit von ca. 285 000 Menschen und deren Familien. Dabei ist Teilzeitarbeit rasant gestiegen, Arbeit in Vollzeit nimmt dagegen ab. Auch das bedeutet weniger Einkommen, vor allem für Frauen und Geringqualifizierte.

Wir wollen endlich brechen mit15 Jahren neoliberaler Arbeitsmarktpolitik und den Hartz-Gesetzen. Die Akzeptanz des Mindestlohnes war ein Erfolg der LINKEN. Doch der Mindestlohn darf kein Standard werden, sondern er ist ein gesetzliches Mindestmaß. Der Stundenlohn muss auf 12 Euro erhöht werden, wenn er wirklich vor Armut schützen soll. Bei branchenspezifischen Mindestlöhnen muss endlich die Schlechterstellung des Ostens enden. Wir wollen Schluss machen mit dem Missbrauch von Befristungen und mit dauerhafter Leiharbeit.

 

Kein Cent mehr für Niedriglohnarbeit

Sachsen-Anhalt muss für alle attraktiver werden. Um hier gut leben und arbeiten zu können, braucht es Löhne und Gehälter, die ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Fachkräfte können wir nur in Sachsen-Anhalt halten, wenn diese gute Bedingungen auch für ihre Familien und Kinder vorfinden.

Um dem Wettbewerbsföderalismus entgegenzutreten, brauchen wir bundesweit einheitlich schärfere Regeln der Wirtschaftsförderung. Wir fordern den Ausbau einer aktiven Wirtschaftsförderung für gute Arbeit. Das heißt: Kein Cent mehr für Niedriglohnarbeit! Stattdessen wollen wir gute Arbeit fördern: Durch Kopplung der Wirtschaftsförderung an auskömmliche Einkommen, Tarifbindung, Mitbestimmung im Betrieb, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie umweltbezogene Standards.

Gute Arbeit bedeutet zunehmend auch die Gewährleistung von Arbeitsschutzrechten und Mitbestimmung in Zeiten neuer digitaler Arbeitsformen und Rahmenbedingungen.

 

Wir werden Armut nicht hinnehmen

Lange Erwerbslosigkeit, kleine Löhne – für viele Menschen ist Altersarmut bereits bittere Realität, doch besonders im Osten droht die Zahl der Betroffenen weiter anzusteigen. In Sachsen-Anhalt gelten über 20 Prozent der 50- bis 64-Jährigen als armutsgefährdet und bereits über 14 Prozent der über 65-Jährigen. Die Rentenpolitik der Großen Koalition hat generell fatale Konsequenzen, nach einem langen Arbeitsleben drohen Altersarmut und Ausgrenzung für immer mehr Menschen. Fast die Hälfte aller Rentnerinnen und Rentner werden künftig mit einer Armutsrente abgespeist. Die Heraufsetzung der Altersgrenze ist nichts anderes als ein riesiges Rentenkürzungsprogramm. Wir meinen: Jeder muss von seiner Arbeit im Alter auch in Würde leben können. Das Rentenkonzept der LINKEN ist durchfinanziert und macht Schluss mit Armutsrenten. Wir brauchen eine Rentenversicherung, in die alle einzahlen. Das ist für alle sozial gerecht. Das Rentenniveau von 53 Prozent muss sofort wieder hergestellt werden. Statt Niedrigrenten braucht es eine solidarische Mindestrente in Höhe von 1 050 Euro.

Mit über 20 Prozent Armutsquote ist Sachsen-Anhalt überdurchschnittlich von Armut betroffen. Für Kinder ist die Armutsgefährdung in Sachsen-Anhalt besonders hoch: 2015 lebten 72 000 von staatlicher Grundsicherung, das entspricht rund 24 Prozent. Besonders betroffen sind dabei Alleinerziehende oder Familien mit mehr als zwei Kindern. In den größeren Städten Halle (Saale), Magdeburg und Dessau-Roßlau ist die Armutsgefährdung von Kindern besonders hoch.

DIE LINKE hat im Dezember 2016 ein bundesweites Netzwerk gegen Kinderarmut gegründet und ist auch in Sachsen-Anhalt dazu aktiv geworden. Sachsen-Anhalt soll ein kinderfreundliches Land sein. DIE  LINKE setzt sich für die diskriminierungsfreie Förderung aller Kinder ein. Deshalb werden wir die Kostenfreiheit für Kindertagesstätten umsetzen. Die Einführung einer bedarfsgerechten Kindergrundsicherung halten wir für ebenso notwendig, wie Investitionen in Einrichtungen des Kinder- und Jugendschutzes. Armut und ihre Auswirkungen auf Kinder sind ein Skandal, mit dem wir uns nicht abfinden werden.

 

Soziale Gerechtigkeit beginnt beim Zugang zu Bildung

Bildung bleibt ein wichtiger Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben und die Chance auf qualifizierte Arbeit. Die Abstiegssorgen vieler Menschen sind oft  viel mehr Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder. Die Kostenfreiheit von Bildung und Studium ist auch deshalb für DIE LINKE ein Grundpfeiler für eine solidarische und freie Gesellschaft. Für Familien, gerade im ländlichen Raum, ist eine sichere und kostenfreie Schülerbeförderung eine wichtige, auch finanzielle Frage. Kosten für Lernmaterialen, Schülertickets und Klassenfahrten führen für die meisten Familien zu erheblichen Belastungen. Kinder aus einkommensschwachen Haushalten werden zudem besonders benachteiligt.

DIE LINKE sagt, soziale Gerechtigkeit beginnt bei der Bildung. Diese Gesellschaft braucht ein generelles Ja zu Kindern. Eine gute Bildung für alle, die unabhängig von der Herkunft zugänglich ist, gehört dazu.

 

 

Umverteilung für mehr Gemeinwohl

Der Reichtum dieses Landes konzentriert sich nicht im Osten Deutschlands. Im Gegenteil: Sachsen-Anhalt gehört mit einem Anteil von fast 13 Prozent an privaten Verschuldungen zu den drei am stärksten betroffenen Bundesländern. Negative Spitzenreiter sind dabei die beiden großen Städte Halle (Saale) und Magdeburg.

Wo Perspektiven fehlen, sind auch Sicherheit und Solidarität in Gefahr. Strukturschwache Länder brauchen kein Kaputtsparen, sondern eine exzellente öffentliche Infrastruktur. Nur so steigen die Chancen, durch Bildung selbstbestimmt und selbstbewusst wachsen zu können. Nur so kann Mobilität auch für Familien und Ältere gesichert werden, die kein Auto wollen oder die sich keines leisten können. Nur so entwickeln sich Kunst und Kultur vom Privileg zum Angebot für alle.

Wir fordern eine Infrastrukturoffensive, weil die unterlassenen Investitionen heute eine höhere Verschuldung in der Zukunft bedeuten. Öffentliche Infrastruktur muss finanziert werden, sie kommt allen zugute. Das Steuerkonzept der LINKEN zur Einkommenssteuer würde für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen: Niedrige und mittlere Einkommen wollen wir bei den Abgaben entlasten. Hohe Einkommen müssen stärker besteuert werden.

Wer mehr als 260 000 Euro zu versteuerndes Einkommen kassiert, kann für das, was er darüber hinaus noch erhält, auch mehr für das Gemeinwohl tun. Und für jeden Euro ab der ersten Million sind 75 Prozent Steuern mehr als gerecht. Ein Spitzensteuersatz von 53 Prozent würde nach unserem Modell künftig ab einem zu versteuernden Einkommen von     75 000 Euro gelten.

Unser Steuerkonzept würde für viele Haushalte eine deutliche Entlastung bedeuten.

 

Glaubwürdigkeit und Demokratie

Wir kämpfen am 24. September um ein starkes Ergebnis für DIE LINKE im Bund und in Sachsen-Anhalt. Unser Zweistimmenergebnis bestimmt die Stärke der Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Wir wollen dafür weit mehr Wählerinnen und Wähler mobilisieren als es uns bei der Landtagswahl gelungen ist und Vertrauen zurückgewinnen. Wir streben an, wieder deutlich über 20 Prozent der Zweitstimmen zu erreichen.

DIE LINKE kämpft für ein soziales Land und eine solidarische und friedliche Europa- und Außenpolitik. Wir sind Stimme der Solidarität, wir stehen zusammen gegen Ausgrenzung und Hass. Wir sind die Stimme des Ostens gegen die Kaltschnäuzigkeit des neoliberalen Sozialabbaus. Wir tun dies entschlossen, in Oppositions- oder in Regierungsverantwortung – wenn diese mehr Gerechtigkeit für große Mehrheiten in der Bevölkerung bringt, statt bloß die Führung im Bundeskanzleramt auszutauschen. Für ein Weiter so oder nur für kosmetische Veränderungen stehen wir nicht zur Verfügung – für eine soziale, friedliche und demokratische Offensive sind wir bereit.

Es braucht linke Einwanderungspoltik

Antrag an die 2. Tagung des 6. Landesparteitages der Partei DIE LINKE. Sachsen-Anhalt am 20. Mai 2017 in Halle (Saale)

Antragsteller*innen: Linksjugend ['solid] Sachsen-Anhalt

 

Antragstext

 

DIE LINKE will eine Alternative zum Mainstream der Abschottungs- und Abschiebeparteien bieten. Das glaubwürdige und konsequente Bekenntnis zur Forderung nach offenen Grenzen für alle Menschen – unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrem sozialen Status – ist dafür notwendige Bedingung.

Mit diesem Bekenntnis muss aber auch ein konkretes Angebot einhergehen, wie DIE LINKE in den vier Jahren nach der Bundestagswahl die sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen zur Umsetzung dieser Forderung schaffen will. Es braucht linke Einwanderungspolitik. Dabei darf es nicht darum gehen, Migrant*innen und Geflüchtete als Probleme oder Humankapital zu betrachten, sondern es muss darum gehen, ihre Probleme zu lösen.

 

Soziale Gerechtigkeit war, ist und bleibt soziale Gerechtigkeit für alle


„Die klassenbewussten Arbeiter, die begreifen, dass die Zerstörung aller nationalen Schranken durch den Kapitalismus unumgänglich und fortschrittlich ist, bemühen sich, die Aufklärung und Organisierung ihrer Genossen aus den anderen Ländern zu unterstützen.“

            - Lenin


Entgegen der Stimmungsmache von rechts können die Probleme, die mit Migration einhergehen, natürlich benannt werden. Sie sind oftmals keine neuen Probleme in einer Gesellschaft, in der bereits jetzt viele Menschen aufgrund ihres sozialen Status' ausgegrenzt, entwertet und entrechtet werden, in der viel zu viele Menschen nicht die Hilfe bekommen, die sie brauchen, in der ein eiserner Vorhang zwischen den Vierteln, Schulen, Milieus der Reichen auf der einen Seite und denen der Armen auf der anderen Seite steht und in der die innere Sicherheit vor allem unter einem Mangel an sozialer Sicherheit leidet. Diese Formen der Ausgrenzung und ihre Folgen betreffen auch Migrant*innen und Geflüchtete, aber oft in schärferer Weise.

Wer in Deutschland lebt, soll auch in Deutschland arbeiten dürfen, um dieses Leben zu finanzieren. Dafür brauchen Migrant*innen und Geflüchtete, ebenso wie Deutsche, auch die angemessene Bezahlung: Ausnahmen beim Mindestlohn und bei Tarifverträgen darf es nicht geben, im Gegenteil müssen Gewerkschaften und Arbeitnehmer*innenrechte gestärkt werden. Um sich gegen Lohndrückerei, schlechte Arbeitsbedingungen und Benachteiligung zu wehren, brauchen Migrant*innen und Geflüchtete als Arbeitnehmer*innen die gleichen Rechte und Möglichkeiten zur Selbstorganisation, vor allem aber brauchen sie die Solidarität der anderen Beschäftigten. Solidarität ist die bewährte Waffe der Ausgebeuteten. Dessen ist sich die politische Linke als internationale Bewegung seit über hundert Jahren bewusst und in dieser Tradition steht auch DIE LINKE.

Viele Menschen, die nach Deutschland kommen, sind bereits qualifiziert. Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse funktioniert für EU-Bürger dank gemeinsamer Standards sehr gut. Aber auch die Abschlüsse von Nicht-EU-Bürgern müssen anerkannt werden, damit diese ihren Beruf weiter ausüben können – damit muss natürlich auch die Möglichkeit zur Fortbildung einhergehen. Migrant*innen und Geflüchtete brauchen ebenso wie Einheimische einen offenen, unkomplizierten Zugang zu Bildung, auch jenseits beruflicher Weiterentwicklung.

Wer in Deutschland lebt, soll das gleiche Recht auf soziale Sicherheit genießen. Niemand soll unter ein menschenwürdiges Existenzminimum fallen können. Niemandem soll sozialer Aufstieg unmöglich gemacht werden, schon gar nicht aufgrund der sozialen oder geographischen Herkunft. Die Abschottung zwischen sozialen Milieus, die die Angleichung der Lebensverhältnisse verhindert und den sozialen Frieden gefährdet, darf durch den Staat nicht weiter zementiert, ihr muss entgegengewirkt werden. Das fängt dabei an, dass Menschen nicht in Lager und zentrale Aufnahmeeinrichtungen gepfercht werden dürfen, sondern sich ihren Wohnort selbst aussuchen können. Dazu gehört aber ebenso, sozialen Wohnungsbau auch in den Vierteln derjenigen zu betreiben, die sich Anwälte und Gutachter leisten können.

Eine neue Sprache, eine andere Kultur, ein unvertrautes politisches System oder auch nur den deutschen Behördendschungel allein kennenlernen zu müssen, erschwert nicht nur die Integration in eine Gesellschaft, sondern vor allem den Alltag. Um über diese Gräben Brücken zu schlagen, braucht es ganz unabhängig vom Aufenthaltsstatus flächendeckend und kostenlos Sprachkurse, politische Bildung und viele weitere Unterstützungsangebote. Viele Geflüchtete, aber auch Migrant*innen haben in ihren Herkunftsländern Not und Gewalt erlebt. Mit solchen Erfahrungen umzugehen, braucht oft psychosoziale Hilfe und Psychotherapie. Die erforderlichen Kapazitäten zu schaffen, hilft allen, die sie brauchen. Viele dieser Unterstützungsangebote werden heute bereits durch ehrenamtliche Helfer*innen ermöglicht und durch Menschen, die weit über ihre beruflichen Verpflichtungen hinausgehen: Ihr Engagement soll nicht ersetzt, sondern unterstützt werden und Anerkennung finden. Ihre Erfahrungen und ihr Wissen gilt es ebenso einzubeziehen, wie die Perspektive von Selbstorganisationen von Geflüchteten.

Für all diese Probleme gibt es keine einzige Lösung von rechts: Die Rechten wollen bloß darüber bestimmen, wer unter ihrem Gesellschaftsentwurf zu leiden hat und diejenigen, die auf der falschen Seite der sozialen Schere geboren werden, bloß dorthin verbannen, wo sie die Privilegierten nicht stören. Es gibt aber eine Menge Lösungen von links. DIE LINKE will nicht darüber entscheiden, wer das Recht auf das schöne Leben haben darf und wer nicht. DIE LINKE will das schöne Leben für alle!

 

Um Europa keine Mauer …

 

„Gebt mir eure Müden, eure Armen,

Eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren,

Die elendigen Verschmähten eurer gedrängten Küsten,

Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturm Getriebenen,

Ich erhebe mein Licht beim goldenen Tor.“

            - Auszug aus The New Colossus von Emma Lazarus


DIE LINKE hat eine klare Position zum Recht auf Asyl: Der Schutz vor Krieg, vor Verfolgung, vor unwürdiger Not ist ein Menschenrecht und kann nicht verwirkt werden. Dieses Recht auf Schutz darf nicht weiter ausgehöhlt werden, keine weiteren Vorwände erfunden werden, um Menschen entweder sterben zu lassen oder sie ihrem Tod auszuliefern.

Die Praxis, andere Länder einfach zu sicheren Drittstaaten zu erklären, lehnen wir ab. Sie wird bereits jetzt politisch missbraucht, wie an der Debatte um das offensichtlich unsichere Afghanistan deutlich wird. Sichere Drittstaaten zu benennen, geht aber auch an der bitteren Realität vorbei: Bewaffnete Konflikte weiten sich aus, die politische Lage verändert sich in vielen einstmals sicher geglaubten Ländern wie der Türkei schnell zum Schlechteren und wo die meisten Menschen oder vergleichsweise reiche Tourist*innen sicher sind, sind es Angehörige von diskriminierten Minderheiten noch lange nicht.

Wenn dieses Recht nicht nur ein leeres Versprechen, eine Selbsttäuschung über die eigene Humanität sein soll, muss es aber auch in einem fairen Verfahren eingefordert werden können. Dafür braucht es nicht Mauern um Europa, sondern legale Einreisemöglichkeiten an den Grenzen der Europäischen Union. Eine umfassende Prüfung des Asylrechts an den EU-Außengrenzen oder in den Auslandsvertretungen der EU-Staaten ist praktisch unmöglich und für die Betroffenen nicht zumutbar. Statt Schnellverfahren braucht es personell und finanziell angemessen ausgestattete Behörden und Gerichte auf der einen Seite und das unbedingte Recht auf einen Rechtsbeistand und einen Dolmetscher auf der anderen Seite. Darüber hinaus verhindert die Drittstaatenregelung, dass sich Geflüchtete innerhalb der Europäischen Union sinnvoll, nämlich entsprechend ihrer eigenen Bedürfnisse verteilen können, statt in den ärmsten EU-Staaten bleiben zu müssen. Mit der Drittstaatenregelung bleibt das Asylrecht mancher EU-Staaten für die meisten Geflüchteten ein leeres Versprechen.

Dass viele Einschränkungen der Rechte von Geflüchteten, wie die Praxis der sicheren Drittstaaten seit den neunziger Jahren oder die sinnlose Schikane beim Familiennachzug heute, als direkte Reaktion auf Brandanschläge von Neonazis und Rassist*innen eingeführt wurden, ist ein beschämendes Einknicken im Angesicht von rechtem Terror. Unsere Demokratie, ja unser Verständnis von Menschenrechten hat sich damit erpressbar gemacht – gerade von denjenigen, gegen die es verteidigt werden muss. Statt rechten Terror mit Abschiebungen zu belohnen, sollen diejenigen, die Opfer rechter Gewalt werden, ein unbedingtes Bleiberecht erhalten. DIE LINKE sagt: Kein Fußbreit den Faschisten!

Das bürgerliche Verständnis dessen, wovor Menschen ein Recht auf Schutz genießen, gilt es zu verteidigen bzw. wiederherzustellen. Das geht uns aber nicht weit genug: Als Linke wissen wir, dass die Folgen des Kapitalismus, Armut und unwürdiges Elend, nicht weniger tödlich sind als Krieg und Verfolgung. Oft genug bedingen sie einander. Das Grundgesetz muss das Recht auf Asyl daher allen einräumen, die vor Krieg, Verfolgung oder unwürdigem Elend fliehen. Niemanden solchen Zuständen auszuliefern, heißt gerade einmal, sich nicht mitschuldig zu machen.

 

… Bleiberecht für alle und auf Dauer!


„Die Kongreßresolution fordert also die völlige Gleichstellung der Ausländer mit den Inländern - auch in Bezug auf das Recht zum Aufenthalt im Inlande. Fort mit dem Damoklesschwert der Ausweisung!“

            - Karl Liebknecht


Linke Einwanderungspolitik erkennt aber nicht nur das individuelle Recht auf Asyl an, sondern auch das individuelle Recht auf Bewegungsfreiheit über Staatsgrenzen hinweg. Wir wollen die Gleichheit jedes Menschen an Rechten und Freiheit nicht nur als hehres Versprechen vor uns hertragen, wir wollen dieses Versprechen auch einlösen. Das kann weder bedeuten, alle Menschen, die nicht zufällig in Deutschland geboren sind, auszuschließen, noch kann es bedeuten, diejenigen, die in Deutschland leben dürfen, nach willkürlichen Kriterien, nach den Bedürfnissen des Marktes oder der gerade herrschenden Politik auszuwählen: Wer in Deutschland leben will, soll das auch dürfen.

Die Suche nach Bildung, Arbeit, einem besseren oder auch nur anderen Leben, ist kein Teufelswerk, sondern ein legitimer Wunsch, dem bereits jetzt innerhalb Deutschlands und innerhalb der EU viele Millionen Menschen unbürokratisch und unproblematisch nachgehen können, indem sie aus ihren Geburtsorten und -ländern wegziehen. Dafür sollten sich weder Migrant*innen von innerhalb noch von außerhalb der EU rechtfertigen oder gar auf soziale, politische und wirtschaftliche Rechte verzichten müssen. Abschiebungen im Allgemeinen, insbesondere aber als Strafrechtsverschärfung nur für Ausländer*innen, lehnt DIE LINKE ab.

Entsprechend soll die Erlaubnis, nach Deutschland einreisen und sich hier niederlassen zu dürfen, nicht mehr der Ausnahmefall sein, dessen strenge Voraussetzungen jede*r Einzelne zu beweisen hat, sondern der Regelfall. Ausnahmen von diesem Regelfall müssen schwerwiegende außen- oder sicherheitspolitische Gründe, wie Kriegsverbrechen oder Spionage für einen anderen Staat, haben, die in jedem Einzelfall gerichtsfest nachgewiesen werden müssen. Wenn solche Gründe nicht vorliegen, sollen auch ohne Einreise- oder Niederlassungserlaubnis in Deutschland lebende Ausländer*innen nicht in der Illegalität leben müssen: Wer hier lebt, wer hier zur Schule geht, studiert, arbeitet, sich ehrenamtlich engagiert oder eine Familie hat, braucht staatlichen Schutz vor Gewalt und Ausbeutung, den in Anspruch zu nehmen durch die ständige Angst vor Abschiebungen unmöglich gemacht wird.

Wer für längere Zeit in Deutschland lebt, muss ohne weitere Anforderungen einen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Wer fester Teil einer Gesellschaft ist, muss auch rechtlich so behandelt werden und insbesondere politische Vertretung über das aktive und passive Wahlrecht erhalten. Wohin sich diese Gesellschaft entwickelt, geht diese Menschen an. Wer hier geboren wurde, muss auch unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Eltern alle mit der deutschen Staatsbürgerschaft verbundenen Rechte genießen, um fester Teil dieser Gesellschaft werden zu können.

Die mehrfache Staatsangehörigkeit ist kein widersprüchliches Untertanenverhältnis, sondern spiegelt das Recht der Menschen wider, mehreren Ländern gleichermaßen verbunden zu sein, nicht einen Lebensmittelpunkt zu haben, sondern viele. Sie wird damit der Lebenswirklichkeit vieler Migrant*innen besser gerecht, als sie zu zwingen, sich für ein Land entscheiden zu müssen. Und seien wir ehrlich: Wer hätte nicht gerne ein Backup-Country, falls in Deutschland der Faschismus ausbricht?

DIE LINKE. Sachsen-Anhalt wird sich im Sinne dieses Antrages in die Diskussion und Beschlussfassung über das Bundestagswahlprogramm einbringen, um die im Entwurf bereits vorhandenen Ansätze für eine linke Einwanderungspolitik zusammenzuführen und zu ergänzen.

Der Antrag zum Download als PDF