Rede von Swen Knöchel, Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE. im Landtag von Sachsen-Anhalt

1. Tagung des 6. Landesparteitages in der Lutherstadt Wittenberg am Samstag, den 18. Februar 2017

– Es gilt das gesprochene Wort. –

 

Liebe Genossinnen und Genossen! 

Hier in Wittenberg, an einem historischen Ort, wollen wir die Weichen für eine der wichtigsten Entscheidungen unseres Landes, die Bundestagswahl am 24. September, stellen.

Hier in Wittenberg soll der Mönch Martin Luther vor 500 Jahren, an welches Kirchentor auch immer, seine 95 Thesen angeschlagen haben. Luther wollte zur theologischen Disputation herausfordern, er behauptete: »Gerechtigkeit kann man sich nicht kaufen«. 500 Jahre später wissen wir: es war mehr als ein theologischer Streit, die Zeit war reif, für eine gesellschaftliche Umwälzung.

»Gerechtigkeit kann man sich nicht kaufen« war die Botschaft, die Bauern, Bürger und Tagelöhner aufrüttelte. Luthers Botschaft setzte eine soziale Bewegung in Gang, in welcher es um mehr ging, als um die Frage des Ablasshandels.

Wenig gesprochen wird im Jahr der 500. Wiederkehr der Reformation zum Beispiel – über Thomas Münzer, der die Frage der Gerechtigkeit mit der sozialen Frage verband. Der nicht nur sagte, »Gerechtigkeit kann man sich nicht kaufen«, sondern sie einforderte und klar machte: für Gerechtigkeit, für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit muss man streiten, muss man kämpfen. Sein Kampf, der Kampf tausender Bauern und Bürger wurde auf den Schlachtfeldern des Bauernkrieges blutig erstickt.

Die Herrschenden und auch Luther selbst ruderten zurück: die Gerechtigkeit, die sie meinten, sei eben keine von dieser Welt. Jenes Gerechtigkeitsversprechen war eben abstrakt, an den Grundfesten der Verhältnisse sollte nicht gerüttelt werden.

Doch die Idee war in der Welt, sie sollte die kommenden 500 Jahre nach dem Thesenanschlag bestimmen.

Und das liebe Genossinnen und Genossen wäre nach meiner Überzeugung auch das gewesen, was ein Reformationsjubiläum ausgemacht hätte. Eine Auseinandersetzung, mit dem was vor 500 Jahren war und was das für das jetzt und heute bedeutet.

Dieses Versprechen allerdings wird das Jubiläum nicht einlösen.

Am Ende des Jahres werden wir gemeinsam feststellen, dass Sachsen-Anhalt dafür fast 100 Millionen Euro ausgegeben hat.

Wir werden feststellen, dass die Chance vertan wurde, auch die 84 Prozent der Menschen im Land, die nicht einer der beiden Kirchen angehören, mit diesem Jubiläum anzusprechen.

Was organisiert wurde, sind Lutherfestspiele, ein historisches Lutherpanoptikum, durch das der Ministerpräsident Königshäuser führt. Das hat wenig mit der Reformation und noch weniger mit den Zukunftspotentialen unseres Landes zu tun.

An den Autobahnen stehen jetzt Schilder, die Sachsen-Anhalt als Ursprungsland der Reformation ausweisen. Wie langweilig – nachdem die Landesregierung das Land mit der Frühaufsteherkampagne der Lächerlichkeit preisgab, jetzt der Hinweis, dass vor 500 Jahren hier mal was war.

Passt zu dieser Regierung, denn die Frage, was hier sein wird, beantwortet sie nicht. Die Diskussion um die Zukunft des Landes verschlafen die vermeintlichen Frühaufsteher aus Magdeburg.

Demnächst wollen sie Bauhausland auf die Autobahnschilder schreiben.

Wieder ein Jubiläum!

Und wieder, so fürchte ich, wird diese Landesregierung alles Nachdenken, über das, was Bauhaus ausmachte in seichter Rotkäppchen-Sekt Laune ertränken.

Dabei lohnt es, gerade am Beispiel des Bauhauses, nachzudenken über unser Land.

Aus Weimar vertrieben, gaben mutige Dessauer dieser Schule der Moderne und Weltoffenheit eine Heimstatt. Hier wurde Architektur- und Kunstgeschichte geschrieben. Die Region profitierte.

Doch nicht lange, dann zogen die dunklen Wolken von Abschottung und Engstirnigkeit über Anhalt und die Stadt Dessau. Fremdenfeindlichkeit und Hass vertrieben das Bauhaus wieder aus Dessau. Im August 1932 stimmten im Dessauer Rat, neben dem Oberbürgermeister, nur noch die vier Kommunisten für den Verbleib der Schule in Dessau.

Das Bauhausjubiläum könnte also Chance sein, auch für eine Auseinandersetzung mit dem jetzt und heute.

Erleben wir nicht gerade jetzt, dass sich die Ewiggestrigen wieder zu Wort melden? Das Fremde, und seien es auch die ärmsten Schutzbedürftigen, auf offener Straße angriffen werden? Erleben wir nicht gerade jetzt, dass Engstirnigkeit und Hass um sich greifen?

Müssen wir nicht im Landtag immer wieder erleben, wie die AfD versucht, mit einem längst überkommenen Volksbegriff, Menschen in immer mehr, nicht dazu gehörende Minderheiten zu spalten? Bewusst verletzend und ausgrenzend gegen viele Gruppierungen. Allen voran, gegenüber Menschen anderer Herkunft.

Ein Ausgrenzungskonzept, das vorsieht,

  • dass Geflüchtete abgeschoben werden sollen,
  • Menschen mit Behinderungen von, so der Abgeordnete Tillschneider von Normalbegabten separiert werden sollen,
  • LSBTTI Lebenswirklichkeiten von Kindern ferngehalten werden und Homosexuelle ins Gefängnis gesteckt werden sollten,
  • linksgrünversiffte Schulsozialarbeiter sollen abgeschafft werden,
  • Heranwachsenden das Jugendstrafrecht entzogen werden soll,
  • und missliebigen Vereinen soll die Förderung entzogen werden.

All das sind nur einige Beispiele der kruden Welt, die uns die AfD im Landtag präsentiert.

Ja und sie versuchen Rassismus als Wissenschaft zu verkaufen. Äußere körperliche Merkmale sollen die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Frage stellen.

Diejenigen, und derer gibt es glücklicherweise viele, die dagegenhalten, es nicht hinnehmen, die werden im Nazisprech der AfD, als Wucherung am Volkskörper beleidigt und herabgewürdigt oder als Vereinsmafia denunziert.

Wir, DIE LINKE in Sachsen-Anhalt stehen fest an der Seite derer die das nicht als normal hinnehmen, die Protest und Widerstand organisieren, ob an der Universität in Magdeburg, ob in Schnellroda oder am 11. März in Dessau.

Auf uns muss hier Verlass sein und auf DIE LINKE Sachsen-Anhalt kann man sich verlassen.

Dazu stehen auch die 16 Abgeordneten unserer Fraktion, sowohl im Landtag als auch auf der Straße.

16 Abgeordnete im Landtag von Sachsen-Anhalt, ja liebe Genossinnen und Genossen, diese Zahl spricht sich schwer aus. Schwer war auch der Start unserer neuen Fraktion.

Der Verlust an Erfahrungen wog schwer.

Wir haben die Herausforderung angenommen und uns auf den Weg gemacht.

Jeder musste neue Aufgaben, jeder musste mehr Aufgaben übernehmen.

Und wir haben ja auch noch Euch liebe Genossinnen und Genossen, auch für Eure Unterstützung im vergangenen Jahr möchte ich Danke sagen, Danke im Namen jedes einzelnen Mitglieds meiner Fraktion.

Danke sagen, möchte ich auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch auf sie kam im vergangenen Jahr ein hohes Maß an neuen Aufgaben zu, Danke Ihr habt es gut bewältigt.

Ja viel Arbeit ist notwendig, damit in diesem Landtag die Stimme der Opposition von links hörbar bleibt. Und Opposition von links liebe Genossinnen und Genossen hat dieses Land bitter nötig.

Kenia regiert in Magdeburg.

Kenia, das steht für eine Koalition von CDU, SPD und Grünen, die in heftiger Abneigung vereint sind, einander belauern und argwöhnisch betrachten.

Ja, manchmal stehe ich früh auf und schaue als erstes nach, ob es diese Koalition überhaupt noch gibt. Eigentlich sind es ja auch mehrere Koalitionen, da ist zum Beispiel jener Teil der CDU, der in die rechte Richtung des Parlaments schielt. Da wird Empörung in der CDU laut, wenn der Ministerpräsident mal das einzig richtige tut, nämlich die Beteiligung am Podium von Neurechten und Ewiggestrigen absagt. Da wird deutlich, dass es in der CDU tiefe Uneinigkeit über die Herausforderungen an unsere Demokratie gibt.

Ein solches Agieren bewirkt, dass die, sich gerade selbst zerlegende AfD, die Schlagzeilen beherrschen kann.

Das größere Problem, ist aber derzeit die CDU mit ihrer ambivalenten Haltung. Die CDU war es, die das Ansehen der Demokratie beschädigte, als sie in gewohnter Selbstherrlichkeit über die Wahlfälschung in Stendal hinweggehen wollte – vertuschte, verharmloste und verschwieg.

Ja, Güssau ist als Landtagspräsident nach einem gräulichen Sommertheater zurückgetreten, der Rücktritt war richtig. Der Rücktritt war erzwungen, was bis heute fehlt, ist auch nur der Hauch einer Selbstreflexion der CDU.

Kenia ist ein Zweckbündnis, aber keine wirkliche Option für unser Land, wie wir in den Haushaltsberatungen erleben durften. So schön wie der Koalitionsvertrag auch klang, so inkonsequent ist seine Umsetzung. Jeder von Euch kann aus seiner Region, Beispiele der mangelnden Unterrichtsversorgung berichten. In Sachsen-Anhalt fehlen die Lehrerinnen und Lehrer. Verschärft wurde das Problem durch die Nichtverlängerung der Sprachlehrer im Dezember.

Es fehlt nicht an Bekundungen der Regierung das Problem lösen zu wollen, es fehlt an Taten.

Wir arbeiten unermüdlich daran, hier die Regierung vor uns herzutreiben, die Unterrichtsversorgung endlich zu verbessern statt ihren Mangel zu beklagen. Zahlreiche Anträge haben wir dazu im Parlament gestellt,

  • die Zahl der Lehrerstellen zu erhöhen,
  • endlich wieder pädagogische Mitarbeiterinnen einzustellen,
  • die Voraussetzungen an den Lehrerseminaren für die Ausbildung künftiger Lehrerinnen und Lehrer zu verbessern
  • und den Lehrerberuf für Quereinsteiger zu öffnen.

Nicht ungehört bleiben unsere Anträge, das Problem aber heißt Tullner und ist Minister.

80 neue Stellen verkauften die Koalitionäre vergangene Woche als großen Sieg. 80 Stellen, wo weit mehr als 400 nötig wären. Es braucht noch viel Druck von links auf diese Regierung.

Zwei der drei Regierungspartner regieren in diesem Land schon über zehn Jahre, sie haben das Land in einen Zustand versetzt, dass selbst wenn man jetzt handelt, es auf Jahre hinaus, bei Notfallplänen bliebe.

Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Farbspiele, den Haushalt dieser Koalition bestimmen. Ein bisschen Geld für grün, ein bisschen mehr für rot und viel für schwarz. Das hat viel mit Koalitionsarithmetik, weniger aber mit den Problemen unseres Landes zu tun.

Seit Jahren vernachlässigt die Regierung die Investitionen in Krankenhäuser. 100 Millionen pro Jahr wären notwendig um den derzeitigen Stand zu erhalten, ausgegeben wird nicht einmal die Hälfte. Und selbst das mehr an Geld für die Kommunen, wie wir es seit Jahren von uns gefordert wurde, ist in Teilen eine Mogelpackung. Denn 20 Millionen der 160 Millionen Euro mehr im Finanzausgleichgesetz sind die Finanzierung der kommunalen Krankenhäuser, Sportstätten und Feuerwehren die die Kommunen bereits in der Vergangenheit erhielten. Ebenso fraglich, bleiben die Auswirkungen, der im Haushaltsbegleitgesetz versteckten, Änderung des Grundsicherungsgesetzes, nach welchem die Kommunen eben mal 41 Millionen Euro weniger bekommen werden.

11 Milliarden Euro umfasst der Haushalt der Koalition, davon sind fast eine Milliarde Euro der Griff in die Rücklage oder ungedeckte Schecks. Damit wird klar, die versprochenen Wohltaten der Landesregierung stehen auf tönernen Füßen, die Haushaltsverhandlungen werden nach dem Haushaltsbeschluss weitergehen und dann wird die Frage nicht die sein, wer bekommt mehr, sondern es wird gefragt, wo gekürzt wird.

Ja, wir haben die Koalition bei den Haushaltsberatungen herausgefordert, wir haben gedrängt. Ich bin überzeugt, weder die Gedenkstätte Isenschnibbe noch die 80 Lehrerstellen und nicht einmal die paar Euro mehr für die Krankenhäuser stünden im Haushalt ohne den Druck von links.

Druck machen müssen wir auch, im Parlament und darüber hinaus. Wir brauchen Bündnispartner und müssen selbst verlässlicher Partner sein.

Wir müssen die Probleme unseres Landes ins Parlament tragen und wir haben das im vergangenen Jahr getan.

Am Beispiel von Fricopan und Liken haben wir die verfehlte Wirtschaftsförderungspolitik des Landes zur Debatte gestellt. Wir fordern, künftig gute Arbeit in den Mittelpunkt von Landesförderung zu stellen. Nicht Billiglohn und Leiharbeit sollen gefördert werden, sondern Unternehmen mit Tarifvertrag und Betriebsrat.

Zuwenden werden wir uns auch, jenen die als Selbständige zu Dumpinglöhnen sich selbst ausbeuten müssen. Das schaffen wir nicht allein im Parlament, hierzu braucht es breite Bündnisse mit Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten.

Wir haben im Parlament die Themen Armut und Reichtum auf die Tagesordnung gesetzt und wir werden da auch nicht locker lassen. Die Kinderarmut ist eine besondere Herausforderung in Sachsen-Anhalt. Hier bemühen wir uns mit Sozialverbänden ein Netzwerk gegen Kinderarmut zu gründen, eine erste ermutigende Veranstaltung fand dazu im Januar statt.

Auch das Thema der Altersarmut, der nicht eingelösten Rentenversprechen war für uns Thema im Parlament. Wir können es Herrn Haseloff nicht durchgehen lassen, sich in Sonntagsreden zum Retter der Ostrentner aufzuspielen und dann so ziemlich gar nichts zu tun, wenn seine CDU im Bund blockiert.

Wir haben noch in der letzten Legislatur gegen das Kommunalabgabengesetz geklagt, welches bei der Erhebung von Abwasserbeiträgen der sogenannten Altanschließern den Bürgerinnen und Bürgern übermäßig in die Tasche gegriffen hat. Dem vorausgegangen war eine politische Entscheidung von CDU und SPD, das so zu wollen. Es war eine komplizierte Rechtsfrage und das Verfassungsgericht hat mit der denkbar knappsten Mehrheit von vier zu drei Richtern unsere Klage abgelehnt. Die Frage bleibt kompliziert.

Gestern waren, auf unsere Einladung, zahlreiche Bürgerinitiativen bei uns zu Gast um das Urteil und die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Die Bürgerinitiativen waren entschlossen, weiter für ihre Rechte zu kämpfen, den juristischen Weg zum Bundesverfassungsgericht zu gehen, aber auch vor Ort, in ihrem Abwasserzweckverband für Beitragsgerechtigkeit zu streiten. Hier erwies sich die bei unserer Fraktion gegründete AG Kommunalpolitik als hilf- und segensreich.

Wir wollen dran bleiben im Parlament und außerhalb. Parlamentarische Arbeit und außerparlamentarische Arbeit sind und bleiben zwei Seiten der gleichen Medaille. Diese Herausforderung haben wir als Landtagsfraktion angenommen, weil wir wissen: nur im Bündnis mit den in unserem Land aktiven Menschen können wir eine Änderung des zu Recht unbefriedigenden Zustands erreichen.

Egal ob Bürgerinitiativen, Gewerkschaften, Flüchtlingshelfer, Betriebs- und Personalräte, Sozialverbände, Basisgruppen unserer Partei oder Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker – dieses Land ist voller engagierter Menschen. Die gilt es nach vorne zu stellen, die gilt es zu unterstützen und als Partner zu gewinnen – ihnen gilt es verlässlicher Partner zu sein. Lassen wir nicht zu, dass das Bild unseres Landes von jener lauten Minderheit der Engstirnigkeit und des Hasses dominiert wird. Unser Platz ist an der Seite derer die für Solidarität und soziale Gerechtigkeit stehen – die Gerechtigkeit verbindet.

Lasst uns selbstbewusst in die Bundestagswahl gehen, wir haben keinen Grund uns zu verstecken. Lasst uns für ein gutes Bundestagswahlergebnis kämpfen, für eine starke LINKE. Sorgen wir dafür, dass die Wahl vom vergangenen März nicht der bleibende Eindruck von unserem Bundesland bleibt. Nehmen wir die Herausforderung an.