Proteste gegen die massiven Kürzungspläne
im Kultur- und Hochschulbereich 




„Wir bleiben hier – wir sind laut!“


Fast über das gesamte Jahr 2013 protestierten Tausende gegen die Sparpläne der Landesregierung im Bildungs- und Kulturbereich. 7 Millionen will die Landesregierung bei den Theatern in Sachsen-Anhalt sparen. Wir haben mit Matthias Brenner, dem Intendanten des neuen theaters in Halle, gesprochen.


Kultusminister Stephan Dorgerloh hat am Anfang dieses Jahres sein Kulturkonzept für Sachsen-Anhalt Land vorgelegt? Ihr Eindruck?

Der Minister feiert einen Sieg, der keiner ist. Die mit dem Haushaltbeschluss getroffenen Entscheidungen führen den Kulturkonvent ad absurdum. Ich hatte einige Kritik zu Beginn des Konvents, die Stimmengewichtung entsprach nicht der Zahl der Betroffenen – ein Theater hat weit mehr Beschäftigte als ein Museum. Bevor der Konvent das erste Mal tagte, machte der Finanzminister bereits Kürzungspläne von zehn Millionen Euro öffentlich. Damit wollte man den Kulturkonvent zu einem Sparkommissariat umfunktionieren. Dem ist der Konvent in seinem Verlauf und in seinem profunden Abschlusspapier aber nicht nachgekommen. Aus dem Ergebnis, zwölf Millionen mehr in die Hand zu nehmen, machte der Kultusminister – nicht der Finanzminister (!) – dann eine Kabinettsvorlage, in der er hingegen Einsparungen in Millionenhöhe bei der Kultur vorschlug. Damit war die Arbeit des Konvents über ein und ein viertel Jahr wirkungslos. Wenn der Sinn eines vom Landtag eingesetzten Gremiums so entstellt wird, dann wird der Zeitaufwand zur Körperverletzung.  



Die Proteste gegen Kultur- und Hochschulkürzungen im vergangenen Jahr wurden durch die Landesregierung als imageschädigend bezeichnet, dem Intendanten in Dessau ging eine einstweilige Verfügung zu, weil dort Flugblätter mit dem Landeswappen und dem Slogan „Wir sparen uns früher dumm“ verteilt wurden. Zur Eröffnung der Kurt-Weill-Festspiele in diesem Jahr mussten vorher die Protestplakate entfernt werden. Was ist los in diesem Land?

Was los ist? Da zeigt sich Angst von Leuten, die keinen Humor und keine Ahnung haben. Über Polemik kann man streiten – aber mit diesem Slogan werden sie lange leben müssen. Wissen Sie, die Welt lacht sowieso darüber: Wie man Frühaufsteherei als einen positiven Werbebegriff sehen soll, das wird mir nie einer erklären können. Das ist ein Slogan des Mittelmaßes, wenn ich es mal ganz freundlich sagen will. 


Herr Brenner, warum soll besonders an den Theatern des Landes gespart werden?

Theater ist nicht abrechenbar, ist keine stille Kunst, wir sind laut – und eine kollektive Kunstform und ein Live-Medium, also entsprechend teuer. Ich bin jetzt zweieinhalb Jahre am Theater in Halle. Wir haben gut gearbeitet, viel ausprobiert, die Hütte ist voll. Das Signal an uns ist jetzt, egal was ihr erreicht, ihr werdet trotzdem rausgeschmissen. Das erzeugt Resignation – gerade die sind bedroht, die wir erst ans Theater geholt haben. Man hat drei Theater ausgesucht: In Eisleben wird aus der Landesbühne ein „Kulturwerk“ – statt Kulturproduktion soll dort jetzt Kulturvermittlung angeboten werden. In Dessau soll das Mehrspartenhaus zerschlagen werden. Das ist eine Niederlage für das Land.


Wie ist das Verhältnis zum Land und wie das zur Stadt?

Wir haben inzwischen eine gute Sachdiskussion mit der Stadt, mit dem Land gibt es das nicht. Weder zu den Ergebnissen des Konvents noch zu der Kulturinitiative, die inzwischen 45 000 Leute unterschrieben haben. Die monatelangen Proteste haben verschiedene Leute zusammengeführt, bei der 48-Stunden-Besetzung des Theaters haben uns Hallenserinnen und Hallenser sogar Frühstück vorbeigebracht. Verheerend war, im Juli die Händelfestspiele wegen der Hochwassergefahr abzusagen. Man sagt Kultur nicht ab! Ich meine nicht, dass man die Flut unterschätzen sollte, aber das Spielverbot an allen Bühnen war ein Fehler. Da liegt ein großes Missverständnis vor, wann Kultur angebracht ist und wann nicht. Mit der Flut hat man alle Argumente für die Wichtigkeit von Kultur hinweggespült. Eine kluge Strategie hätte die Händelfestspiele zu einer Benefizveranstaltung und zur Botschafterin der Stadt in dieser Zeit gemacht. Wenn jemand Benefiz in der Musik erfunden hat, dann war das Händel.


Was kann gutes Theater?

Aufgabe des Theaters ist es, Bock zu machen, Sehnsucht danach zu schaffen, sich über Modelle von Scheitern und von schöpferischem Gelingen ein Bild machen zu dürfen. Was das Leben in seinem Zeitverlauf nicht zulässt, das Leben stellt dir kein Zeitfenster zur Verfügung, sich solche Modelle emotional vorstellen zu können. Kunst kann den Moment einfrieren, Kunst schenkt Zeit, für sich zu sein und zu sich zu kommen, mit Kunst kann man die Zeit betrügen. Das Theater weckt Fragen im Kopf, rührt unser Herz und lässt das Nervenzentrum erzittern.


Gehen die Proteste weiter?

Ja. Wenn Protest 5 vor 12 möglich ist, dann ist er auch 5 nach 12 möglich. Kunst ist Protest – und gleichzeitig heiter, der Protest soll ja aufzeigen, was wir verlieren würden. Das Theater in Eisleben vernichtet man gänzlich, das in Dessau verstümmelt man komplett, und was wird mit uns? Auf alle Fälle stoppt man die Qualitätsentwicklung. Wir haben hier einen Leistungsstand, mit dieser Entwicklung ist der nicht mehr möglich. Mein Vertrag sagt, dass ich meine ganze Kraft zur Entwicklung des Schauspielensembles in Halle einzusetzen habe, das ist der Paragraf 1. Dazu brauche ich mindestens das, was jetzt zur Verfügung steht, statt immer weiteren Abbau. Wir haben sehr gut gearbeitet mit unserem engen Etat, wir haben geantwortet mit einem vollen Theater. Und das nicht mit irgendwelchem Mist, sondern mit politischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzung. Die steht in unserem Spielplan im Zentrum. Wir bleiben hier, ich bleibe hier!


Wir bedanken uns für das Gespräch.

Der Generalintendant am Anhaltischen Theater in Dessau hat dem Land etwas vorgelebt, was nicht hoch genug zu schätzen ist: Mut, Zuversicht, Kampfeslust und Weitsicht. Die Protestwelle 2013, die den Widerstand gegen die Theater- und Hochschulkürzungen miteinander verflechten konnte, ist maßgeblich von ihm und den Intendanten und Theatern in Halle und Eisleben getragen worden. André Bücker hat sich dabei aller Kräfte bedient, die ein kreativer, humorvoller und zugleich kritischer Geist mobilisieren kann. mehr...

Arbeit, Würde, Hoffnung

Von der traditionellen Maikundgebung zur Freien Bildungs- und Kulturrepublik Sachsen-Anhalt

Tag der Arbeit: Auf dem Markt in Halle trafen – wie an vielen anderen Orten heute – Gewerkschaften, Parteien und Verbände auf hunderte Besucherinnen und Besucher zum traditionellen politischen 1. Mai.  mehr...

Gestern erlebten die Proteste gegen die Kürzungskurs der Landesregierung ihre Fortsetzung. Über 6 000 Teilnehmer(innen), besonders aus der Studierendenschaft folgten dem Aufruf des Hochschulbündnisses Halle. Nach dem Strukturpapier des Wissenschaftsministers Möllring, welches Schließungspläne an den Universitäten und Studienplatzabbau enthält, sowie den bereits ausgesprochenen Kürzungen im Theaterbereich gab es genug Anlass zu strei(k)ten. Matthias Brenner rief bei der Abschlusskundgebung die Gründung der „Freien Bildungs- und Kulturrepublik“ aus und lud zur 1. Maifeier ins nt-Theater ein. Zur Bildergalerie...

Etwa 300 Menschen demonstrierten vor dem Magdeburger Landtag, als erneutes Zeichen gegen die Ignoranz der Landesregierung. Noch einmal artikulierten Künstler, Studierende und Elternvertreter ihre Hoffnung, die Kürzungen im Kultur- und Bildungsbereich in letzter Minute abwenden zu können.


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Posaunen draußen, Anträge drinnen. In Kürze beschließt der Landtag den Haushalt für das nächste Jahr. Grund genug, noch mal mit allen – jeweils zur Verfügung stehenden – Mitteln für den Erhalt der Theater- und Orchesterlandschaft in Sachsen-Anhalt zu streiten. Die Linksfraktion hat heute ein Moratorium von fünf Jahren gefordert. In dieser Zeit sollen Umstrukturierungen an den Theaterstandorten demokratisch diskutiert und beschlossen werden, die Fördersumme für diese Zeit konstant bleiben. mehr...

In Halle demonstrierten heute 2.000 Menschen unter dem Motto: "Ohne uns gehen die Lichter aus" mit einem Laternenumzug gegen die Kürzungspolitik der Landesregierung. Zeitgleich fand in Magdeburg eine weitere Demonstration statt. Das ist damit die vierte Großdemonstration gegen die geplanten Einschnitte in die Kultur- und Hochschullandschaft Sachsen-Anhalts. Der Protestzug endete auf dem Marktplatz mit dem gemeinsamen Löschen der Laternen.

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Wir haben heute der SPD angeboten, gemeinsam mit uns die Verantwortung für dieses Land zu übernehmen, um den drohenden Schaden für Bildung, Wissenschaft und Kultur und öffentliche Daseinsvorsorge abzuwenden und dieses Land gemeinsam zu entwickeln. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl hat die SPD dieses Angebot abgelehnt und damit den Koalitionspartner CDU beruhigt. Es scheint nötig zu sein. Man bleibe „Lebensabschnittspartnerin“. Aber für die nächste Landtagswahl sei alles offen, „die SPD werde ohne Koalitionsaussage“ in den nächsten Wahlkampf gehen. mehr...

Von Dr. Petra Sitte, Spitzenkandidatin in Sachsen-Anhalt zur Bundestagswahl 

"Das deutsche Wissenschaftssystem erlebte in den vergangenen zehn Jahren eine rasante Umgestaltung – in seinen Organisations- und Finanzierungsstrukturen wie auch in seinen inneren Funktions- und Steuerungsmechanismen. Prinzipiell wohnt Wissenschaft immer ein intrinsisches Motiv des Wettbewerbs um Erkenntnis inne.  mehr...

Die Landesvorsitzende Birke Bull nahm heute im Rahmen der Fraktions-Pressekonferenz Bezug auf die aktuellen Wahlumfragen:

In einem sind wir uns mit den Befragten der mdr-Studie einig: Auch wir sind mit der Landesregierung in Sachsen-Anhalt unzufrieden. Der rigide Sparkurs von CDU und SPD sägt quasi an den Zukunft des Landes. Die in der mdr-Studie Befragten haben ein klares Votum zur Landesregierung im Vergleich zu ihren Nachbarn in Thüringen und Sachsen abgegeben – 58 Prozent sind unzufrieden mit dem Kurs der Landesregierung. mehr...

"Wir machen Zukunft: Gegen die Kürzungspläne im Kultur-, Sozial- und Bildungsbereich", lautete das Motto der Großdemonstration in Halle, an der gestern ca. 5.000 Menschen teilnahmen. Der Schulterschluss findet statt, die Protestbewegungen der letzten Wochen und Monate finden zusammen. Studierende, die um den Erhalt der Uniklinik Halle bangen, Kulturschaffende, die sich um den Erhalt des Theaters Eisleben sorgen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, die u.a. gegen die Kürzung der Jugendpauschale aufstehen und viele viele mehr, ziehen jetzt an einem Strang. Nun heißt es, am Ball zu bleiben und nicht nachzulassen. Denn die Kürzungen sind abzulehnen, "weil sie die Entwicklung des Landes gefährden, weil sie im Bereich Kultur das geistige Niveau des Landes gefährden und weil sie bei der Kinder- und Jugendförderung und beim Blindengeld schäbig sind“, wie Wulf Gallert, Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Landtag von Sachsen-Anhalt, betonte. Der Sommer wird heiß – auch ohne passendes Wetter.

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Großdemo gegen die Kürzungspolitik der Landesregierung

Unter dem Motto: "Studieren wir noch oder kürzt ihr schon? Magdeburg will's wissen!", demonstrierten in Magdeburg ca. 10.000 Menschen gegen die geplanten Kürzungen im Hochschulbereich. Sie kritisierten, dass die angestrebte Reduzierung des Hochschulbudgets und der Studierendenzahlen eine Abwärtsspirale in Gang setzt, die sich auf Sachsen-Anhalt dauerhaft negativ auswirkt. DIE LINKE stellt sich ebenso solidarisch an die Seite der protestierenden Student_innen und Angehörigen der Wissenschaftseinrichtungen, wie schon zuvor an die der Kultureinrichtungen des Landes, die ebenfalls mit massiven Einsparungen rechnen müssen. Bildergalerie...

Gemeinsam für die Hochschulen im Land!

Großdemo gegen die Kürzungspläne der Landesregierung im Hochschulbereich am 30.04.2013 in Halle (Saale) mit 7.000 Teilnehmer_innen. Bildergalerie...

Am 29.04. hatten bereits Studierende und weitere Hochschulangehörige auf dem Campus der Magdeburger Universität protestiert. Am Wochenende zuvor (27.04.) hatte sich in Halle das "Landesweite Hochschulbündnis gegen Kürzungen" gegründet. 

Krise der Regierung Haseloff

Das Geld ist knapp. In 40 Eckpunkten droht die Landesregierung rigide Einsparungen an. Auch die Hochschulfinanzierung und die Uni-Klinik in Halle stehen zur Debatte. Nach leisem Protest ist die Ministerin Wolff gegen den ehemaligen Finanzminister aus Niedersachsen ausgetauscht worden – dem rigiden Sparkurs soll nichts mehr in Wege stehen. Das sehen die Menschen in Sachsen-Anhalt anders. Seit einer Woche reißt die Diskussion nicht ab. Auch DIE LINKE kritisiert den Kurs der Landesregierung: In einer Aktuellen Debatte warnte Wulf Gallert vor einer Sparpolitik ohne Sachlogik, – die Basta-Politik von Haseloff und Bullerjahn sende ein verheerendes Signal. Zukunftsfragen brauchen dagegen die offene gesellschaftliche Auseinandersetzung! Eine ehrliche Debatte um die öffentlichen Haushalte erfordert vor allem die Verbesserung der Einnahmesituation, betonte Gallert. Die Landesregierung aus CDU und SPD suggeriert dagegen allein ein Ausgabenproblem. Im Bundestagswahlkampf erzähle aber Steinbrück etwas ganz anderes.

Rede von Wulf Gallert im Landtag am 25. April 2013 (Video) 

 

Petra Sitte, Spitzenkandidatin und forschungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, sieht den Hochschulstandort bedroht. Wer solle noch, bei diesen Sparansagen, seine private und wissenschaftliche Zukunft in Sachsen-Anhalt planen.