Rassismus ächten – Solidarität mit allen von rechter Hetze und Gewalt Betroffenen

Antrag der Landtagsfraktion

In der kommenden Woche bringt die Fraktion DIE LINKE. im Landtag von Sachsen-Anhalt diesen Antrag in Reaktion auf die anhaltende und ständig weiter eskalierende rechte Gewalt und Bedrohung, und auch in Reaktion auf die Angriffe auf unsere Genossin Ruth Rothe ein.

In der kommenden Woche bringt die Fraktion DIE LINKE. im Landtag von Sachsen-Anhalt folgenden Antrag in Reaktion auf die anhaltende und ständig weiter eskalierende rechte Gewalt und Bedrohung, und auch in Reaktion auf die Angriffe auf unsere Genossin Ruth Rothe ein.

Antrag

Der Landtag wolle beschließen:

  1. Der Landtag von Sachsen-Anhalt erklärt sich solidarisch mit allen Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt, Bedrohung und Hetze. 
  2. Der Landtag spricht sich dafür aus, das Landesprogramm für Demokratie, Weltoffenheit und Vielfalt sowie insbesondere der mobilen Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt und das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus finanziell aufzustocken und eine langfristige und kontinuierliche Finanzierung der geförderten Projekte und Initiativen zu gewährleisten. 
  3. Unterkünfte von Geflüchteten, Einrichtungen, Anlaufstellen und Treffpunkte für Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten, Organisationen und auch Einzelpersonen, die sich für Geflüchtete engagieren, sich dezidiert antirassistisch positionieren oder für ihr demokratisches Engagement gegen Neonazis bekannt sind, aber auch Begegnungszentren der Integrationsarbeit werden in besonderem Maße Ziel von rechten und neonazistischen Angriffen. Der Landtag von Sachsen-Anhalt fordert die Landesregierung auf, alle Möglichkeiten zu ihrem Schutz  auszuschöpfen. 
  4. Die Arbeit von Bündnissen gegen Rechts und für die Verteidigung demokratischer Werte und antirassistischer Initiativen ist wichtiger denn je. Der Landtag von Sachsen-Anhalt dankt ausdrücklich den vielen Engagierten, die aktiv für die Verteidigung  demokratischer Werte einstehen, sich für ein solidarisches Zusammenleben aller einsetzen und neonazistischen und rassistischen Mobilisierungen und Angriffen  mit Zivilcourage begegnen. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,  alle Möglichkeiten, dieses Engagement effektiv und vor Ort spürbar zu unterstützen, zu nutzen. 

Begründung

In Sachsen-Anhalt hat die Zahl rechter Gewalttaten im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Die Mobile Opferberatung registrierte 217 rechtsmotivierte Angriffe und damit mehr als doppelt so viele wie 2014. Auch für 2016 ist eine ähnlich hohe Zahl von Angriffen zu befürchten. Alleine in den ersten fünf Monaten diesen Jahres gab es nach Meldung der Opferberatung bereits mindestens 22 rassistisch- und rechtsmotivierte Übergriffe auf Personen. Die Zahl alltäglicher Diskriminierungs- und Einschüchterungserfahrungen durch Bedrohungen und Pöbeleien sind hierbei noch nicht einmal berücksichtigt. Hierzu zählt die rassistische Postkartenverteilung der Neonazi-Partei »Der Dritte Weg«, u.a. an die Synagogengemeinde zu Halle, genauso wie ein zugemauertes Wahllokal für Migrantinnen und Migranten. Im Rahmen der Landeskampagne »Du bist Politik – Demokratie stärken« zur Landtagswahl 2016 führte das Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt ein Projekt zu »Politische Partizipation ohne Wahlzettel« durch. Migrantinnen und Migranten, die ihren ständigen Wohnsitz in Sachsen-Anhalt haben, aber kein Wahlrecht besitzen, konnten probeweise ihre Stimme vergeben. Am Tag der Stimmabgabe fanden die Organisatorinnen und Organisatoren den Eingang des Gebäudes zugemauert vor. Zu dieser Tat bekannte sich die rechte »Identitäre Bewegung«. Weiterhin erschreckend sind die auf hohem Niveau anhaltenden Angriffe und Sachbeschädigungen von Unterkünften für Geflüchtete, wie jüngst an gerade bezugsfertig gewordenen Gebäuden in Magdeburg.  

Es lässt sich feststellen, dass die Täter nicht nur häufiger sondern auch oft immer skrupelloser vorgehen wie ein jüngstes Beispiel aus Halle zeigt. Am 23. April traten Unbekannte offenbar gezielt die Wohnungstür einer alternativen Wohngemeinschaft ein. Unter »Scheiß Zecken«-Rufen stürmen etwa zehn Angreifer in die Zimmer der Schlafenden, zerrten drei junge Männer aus ihren Betten und schlugen und traten auf sie ein. All diese Beispiele sind Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Zunahme und Akzeptanz rassistischer und rechter Positionen sowie deren Sichtbarmachung. Zunehmend werden völkisch-nationalistische und autoritäre Antworten auf komplexe Fragen geliefert und offensichtlich von einer Vielzahl Wählerinnen und Wähler präferiert.

Dieser Umstand macht deutlich, dass Engagement gegen Rechts vor allem den Zugewinn an demokratischer Kultur braucht. Rassismus und Menschenfeindlichkeit sind kein Phänomen »extremer« Ränder. In der Mitte der Gesellschaft, im täglichen Leben muss Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz mutig und engagiert begegnet werden. Überall in Sachsen-Anhalt finden sich Menschen die nach ihren Möglichkeiten dieses Engagement vorleben oder Zugewanderte in ihrem Ankommen unterstützen. Eben jene gelebte Praxis demokratischer Kultur und Teilhabe gilt es zu befördern und tatkräftig zu unterstützen.

Swen Knöchel

Fraktionsvorsitzender