Notwendige Klarstellung – Regierungsparteien verstellen Lösungsweg im Abwasserstreit

Kerstin Eisenreich

Die Erhebung von Beiträgen für Anschlüsse der Wasserver- und Abwasserentsorgung wird seit Monaten von heftigem Streit und unzähligen Sorgen betroffener Bürgerinnen und Bürgerbegleitet. Eine faire und rechtssichere Erhebung von Kommunalabgaben erscheint vielerorts nicht möglich, daneben stecken zahlreiche Zweckverbände in wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten. Vor diesem Hintergrund erklärt die Abgeordnete Kerstin Eisenreich:

Wer nach dem Lesen des Koalitionsvertrages noch hoffte, dass CDU, SPD und Grüne diese Beitragserhebungspraxis in Sachsen-Anhalt stoppen werden, sieht sich nach den Landtagssitzungen im Juni getäuscht. Zentrales Problem ist die Ende 2014 von CDU und SPD im Kommunalabgabengesetz (KAG LSA) durchgesetzte Übergangsvorschrift. Sie bestimmt in § 18 Absatz 2, dass die zeitgleich beschlossene zehnjährige Verjährungsregelung bis zum 31. Dezember 2015 außer Kraft gesetzt wird. 

Mit der Übergangsvorschrift wurde einem unbeschränkten Abkassieren auf der Grundlage kurzfristig erlassener Satzungen und ohne Rücksicht auf eine Verjährung der Weg geebnet. Sie löste bis Ende 2015 eine Welle von rund 85.000 Beitragsbescheiden mit einem verjährungsbedrohten Beitragsvolumen von insgesamt rund 123,5 Millionen Euro aus. In Folge eskalierte die Situation. Neben massenhaften Widersprüchen sind zahlreiche Mahnverfahren anhängig, weil nicht jedem, der Widerspruch eingelegt hat bewusst, war, dass er trotz Widerspruch zur Zahlung verpflichtet ist. In Folge wurden zahlreiche Konten gepfändet, Eigentum mit Hypotheken belegt und Inkasso-Unternehmen auf Bürgerinnen und Bürger gehetzt.

Als erste reagierte die Fraktion DIE LINKE. Anfang März 2016 beantragten ihre Abgeordneten ein Normenkontrollverfahren beim Landesverfassungsgericht (LVG 1/16), um verfassungsrechtlich die Übergangsvorschrift prüfen zu lassen. In einem zweiten Schritt brachte sie vor allen anderen Fraktionen einen Gesetzentwurf (Drs. 7/40) ein. Sein Ziel war es, die Kommunen zu einem echten Moratorium bis zum Urteil des Landesverfassungsgerichtes zu verpflichten. Dafür sollte das Land etwaige Kosten erstatten. In einem Änderungsantrag (Drs. 6/93) setzte sich die Fraktion DIE LINKE ergänzend dafür ein, dass zugleich die zu verzinsenden kommunalabgabenrechtlichen Ansprüche von derzeit 6% auf 2% über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB (zurzeit: - 0,83) sinken.
Lediglich die Zinssenkung setzten CDU, SPD und Grüne mit ihrer Koalitionsmehrheit und ihrem Gesetzentwurf (Drs. 6/70) durch. Alles andere darin kann man mit einem Placebo vergleichen. Es wird kaum Wirkung entfalten, um unnötige Verunsicherungen zu vermeiden und die erforderliche Ruhe zu schaffen, um sachgerechte Entscheidungen voranzubringen. Vergleich und Moratorium sind den Regierungsparteien nur »KANN - Vorschriften« wert. Das die derzeit mit erheblichen Problemen kämpfenden Zweckverbände sich darauf einlassen werden, muss aus heutiger Sicht bezweifelt werden.

Doch ohne ein echtes Moratorium gibt es keinen Rechtsfrieden. Vielmehr versperrt das derzeitige Handeln der Regierungsparteien notwendige Lösungswege im Streit um die verfassungsrechtlich umstrittenen Beiträge. Dies ist aus Sicht der Fraktion DIE LINKE sowohl für die betroffenen Bürger*innen als auch für die Zweckverbände problematisch, weil mit den derzeitigen Konflikten nachhaltige Lösungen für eine zukunftsfähige Wasserver- und Abwasserentsorgung verhindert werden.