Landesregierung verfehlt Inklusionspflicht – Die Linke fordert konsequente Beschäftigungspolitik

Nicole Anger

Zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage (KA 8/3210) zur Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung im Land erklärt Nicole Anger, Sprecherin für Menschen mit Behinderung der Fraktion Die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt: 

„Die Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage zeigt deutlich: Die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung in der Landesverwaltung Sachsen-Anhalt bleibt hinter den eigenen Ansprüchen und gesetzlichen Verpflichtungen zurück.

Im Jahr 2024 lag die durchschnittliche Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen in der Landesverwaltung bei nur 4,25 Prozent – und damit erneut unter der gesetzlich vorgeschriebenen Quote von fünf Prozent. Statt mehr Menschen mit Behinderung einzustellen, zahlte das Land über 616.000 Euro an Ausgleichsabgaben, weil Pflichtarbeitsplätze unbesetzt blieben.

Besonders deutlich ist die Schieflage in einigen Ministerien: Während das Sozialministerium mit 7,39 Prozent über der Quote liegt, bleiben Innenministerium (3,59 Prozent) und Bildungsministerium (3,37 Prozent) weit dahinter zurück. In manchen Bereichen liegt der Anteil schwerbehinderter Beschäftigter sogar unter zwei Prozent. Trotz Lehrkräftemangel liegt die Beschäftigungsquote schwerbehinderter Lehrkräfte nur bei 3,37 Prozent – und auch in der Ausbildung oder im Vorbereitungsdienst spielt Inklusion kaum eine Rolle. Von über 490 neuen Lehrkräften in Ausbildung war 2024 nur eine Person schwerbehindert. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer strukturell ausschließenden Personalpolitik. Wer Lehrkräfte gewinnen will, darf Menschen mit Behinderung nicht systematisch ausschließen – er muss ihnen gezielt Wege in den Beruf öffnen.

Dass das Land als Arbeitgeber seine eigenen Inklusionsziele verfehlt, ist ein fatales Signal. Wer in Sonntagsreden von Teilhabe spricht, muss sie auch in der eigenen Verwaltung vorleben. Statt weiter Ausgleichsabgaben zu zahlen, sollte die Landesregierung endlich konsequent barrierefreie Einstellungsverfahren schaffen, gezielt Menschen mit Behinderung ansprechen und sie dauerhaft in Beschäftigung bringen. Menschen mit Behinderung brauchen nicht Mitleid, sondern faire Chancen auf gute Arbeit – auch und gerade im öffentlichen Dienst. Statt Ausgleichsabgaben zu zahlen, muss das Land endlich selbst mit gutem Beispiel vorangehen.

Auch bei der Ausbildung besteht großer Nachholbedarf. In den meisten Ministerien gibt es keine oder kaum Auszubildende mit Schwerbehinderung. Das „Budget für Arbeit“, das Menschen mit Behinderungen den Einstieg in den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen soll, bleibt in der Landesverwaltung praktisch ungenutzt. 2024 gab es keine einzige Einstellung nach diesem Modell – außer an der Hochschule Magdeburg-Stendal, wo fünf Personen im Kompetenzzentrum Inklusive Bildung tätig sind. Das ist beschämend. Ein Instrument, das eigentlich Teilhabe sichern soll, wird vom Land ignoriert. Wenn selbst die öffentliche Hand keine passenden Arbeitsplätze schafft, wie sollen es dann private Arbeitgeber tun? Sachsen-Anhalt braucht endlich eine aktive Beschäftigungspolitik, die das „Budget für Arbeit“ gezielt nutzt.

Inklusion darf kein Anhängsel von Personalpolitik sein. Trotz aller Beteuerungen hat die Landesregierung ihre Stellenausschreibungen kaum inklusiver gestaltet. Zwar verweisen die Ministerien auf barrierefreie Texte und Hinweise für Bewerber:innen mit Schwerbehinderung – konkrete Verbesserungen blieben jedoch aus. Solange Stellenausschreibungen nur formal barrierefrei sind, aber die Verfahren, Auswahlkriterien und Arbeitsplätze selbst nicht, bleibt Teilhabe eine Phrase. Menschen mit Behinderung brauchen keine wohlmeinenden Textbausteine, sondern echte Chancen. Das Land muss endlich Vorbild sein – nicht Verhinderer. Solange das Land selbst nicht zeigt, wie Teilhabe funktioniert, werden private Arbeitgeber diesem Beispiel kaum folgen.“

Hintergrund:

Nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sind öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Wird diese Quote unterschritten, ist eine Ausgleichsabgabe an das Integrationsamt zu entrichten.