Das Problem heißt Rassismus – Solidarität mit allen Betroffenen rechter Gewalt und Hetze

Henriette Quade

Zu den heute durch das Innenministerium veröffentlichten Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität in Sachsen-Anhalt erklärt die Abgeordnete Henriette Quade: Es kommt nicht überraschend: Sachsen-Anhalt hat ein Problem mit Rassismus. Bundesweit sind die Zahlen rechter Straf- und Gewalttaten enorm angestiegen. Nahezu täglich werden Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte und Menschen, die optisch nicht der deutschen Mehrheitsgesellschaft entsprechen bekannt. Tröglitz, Gräfenhainichen, Landsberg, Oschersleben - die Liste ließe sich beliebig fortsetzen – sind Tatorte solcher Angriffe auf Asylunterkünfte geworden. 

 

Bereits die Anfang März vorgestellte Statistik der Mobilen Beratung (MOB) für Opfer rechter Gewalt zeigt eine dramatische Zunahme rechter und insbesondere rassistischer Gewalt in Sachsen-Anhalt. Allein 217 rechte Gewalttaten mit über 300 direkt Betroffenen zählte die MOB für das Jahr 2015. Damit ist das statistisch messbare Ausmaß rechter Gewalt erneut auf einen traurigen Rekordwert gestiegen. 

 

Auch die heute veröffentlichten Zahlen des Innenministeriums bilden eine solche Entwicklung ab und machen deutlich: Es muss endlich mehr gegen Rassismus und andere rechte Einstellungsmuster in Sachsen-Anhalt getan werden. Eine Debatte über Obergrenzen, angeblich unüberwindbare kulturelle Unterschiede und Integrationszwang hilft dabei nicht weiter - im Gegenteil werden dadurch Ressentiments nur verstärkt. Wenn Nazis sich als Vollstrecker eines Volkswillens, quasi in Vertretung eines auch von Vertretern der Union so dargestellten handlungsunfähigen Staates fühlen können, bestärkt sie das nur in ihrem brutalen Handeln. 

 

Die Verteidigung von Menschenrechten, die Ächtung von Rassismus und anderen Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die konsequente Verfolgung und Ahndung rechter Straftaten, eine politische Debatte und Praxis, die die Würde eines jeden Einzelnen nicht vom Vorhandensein eines deutschen Passes abhängig macht, Bildungsarbeit für Vielfalt und Demokratie – all das muss politische Priorität in Sachsen-Anhalt haben. Nicht zuletzt sind die Beratungsstrukturen für Betroffene rechter Gewalt für die dringend notwendige Arbeit und die verdoppelten Fallzahlen schlichtweg ungenügend ausgestattet. Das Beratungsnetzwerk muss ausgebaut werden und endlich dauerhaft und verlässlich gefördert werden. 

 

Besorgniserregend ist zudem die erhebliche Differenz zwischen den Zahlen der MOB und der polizeilichen Statistik bei rechten Gewalttaten: Die Mobile Opferberatung registriert 217, das Innenministerium benennt lediglich 109. Das zeigt ein enormes Wahrnehmungsdefizit bei der Polizei und infolgedessen auch der Justiz. Das Innenministerium muss sich die Frage stellen lassen, warum offenkundig viele Betroffene den Weg zur Polizei scheuen, welche Erfahrungen sie in der Vergangenheit gemacht haben und wie das Ministerium diesen unhaltbaren Zustand, dass Menschen offenkundig kein Vertrauen in Strafverfolgungsbehörden haben, endlich überwinden will. 

 

Zudem stellt sich erneut die Frage nach den Erfassungskriterien für politisch motivierte Kriminalität. Laut Bilanz der MOB sind nur 56 % der 189 bei der Polizei zur Anzeige gebrachten Fälle auch als politisch rechts motiviert gewertet wurden. Hier muss dringend angesetzt werden, müssen Qualifikationen für Beamte verbindlich stattfinden, muss größere Sensibilität walten und müssen die Kriterien endlich den Empfehlungen der NSU-Untersuchungsausschüsse entsprechend überarbeitet werden, ebenso müssen die Kompetenzen der Zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen in die Einordnung und Kriterienentwicklung einbezogen werden.

 

Es bleibt dabei: Das Problem heißt Rassismus. Gefordert ist mehr denn je Solidarität mit allen Betroffenen rechter Gewalt und Hetze.