Eingreifen der Behörden scheitern nicht an fehlenden Rechtsgrundlagen, sondern an fehlendem Interesse!

Henriette Quade

Nach Berichten der Mitteldeutschen Zeitung plant Innenminister Holger Stahlknecht auf Weisung des Ministerpräsidenten eine Überarbeitung des Versammlungsrechts in Sachsen-Anhalt, so sollen Verbote von Versammlungen erleichtert werden. Damit reagiert die Landesregierung auf Vorwürfe gegen die Polizei in Halle (Saale), der seit Monaten vorgeworfen wird nicht ausreichend gegen Demonstrationen des Neonazis Sven Liebich vorzugehen. Dazu erklärt Henriette Quade, innenpolitische Sprecherin DIE LINKE. Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt:

Die Überlegungen von Innenminister Stahlknecht und Ministerpräsident Haseloff zur Änderung des Versammlungsgesetztes für Sachsen-Anhalt zeigen, dass man im Innenministerium bis heute das Problem nicht begriffen hat. Sie folgen dem Muster, auf seit Jahren bekannte Probleme in der Rechtsdurchsetzung mit einer Änderung der Rechtslage zu reagieren. Faktisch würde der Vorschlag Versammlungen künftig auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung verbieten zu können den Versammlungsbehörden einen erheblich größeren Spielraum eröffnen, um das Versammlungsrecht zu beschränken. Das wäre nicht nur problematisch mit Blick auf Grundrechte – es wäre auch nicht nötig um etwas gegen die menschenfeindliche Hetze von Liebich und die Übergriffe die von seinen Anhängern ausgehen zu unternehmen.
Denn genau diese Versammlungsbehörden sind schon jetzt oftmals nicht in der Lage, ihre rechtlichen Spielräume ausreichend und angemessen zu nutzen. Daran ändert sich nichts, wenn sich die Rechtslage ändert. Schon seit Jahren wären eine Reihe von Maßnahmen gegen die Kundgebungen des Rechtsextremen Sven Liebich in Halle möglich, sie scheitern jedoch daran, dass die Polizei Straftaten, Vorfälle und rechtlich relevante Äußerungen oftmals nicht als solche erkennt, nur lückenhaft dokumentiert und rechtlich unzutreffend analysiert. Erschwert wird der Polizei die Arbeit dabei auch durch die Staatsanwaltschaft Halle (Saale), deren Einstellung von Ermittlungen gegen Sven Liebich in der Vergangenheit bereits bundesweit für Kritik gesorgt haben, wie zuletzt in einem Verfahren wegen drastischen Beleidigungen von „Omas gegen Rechts“ durch Sven Liebich.
 
Es wäre seit Jahren die Aufgabe des Innenministers, das Problem bei den Versammlungsbehörden und Polizei zu erfassen und Lösungen zu entwickeln. Denn nicht nur im Umgang mit Liebich zeigen sich die Defizite – immer wieder scheitern Verfügungen vor Gericht an der mangelhaften Begründung und zeigen sich eklatante Defizite bei den presserechtlichen Kenntnissen der Polizei und im Erkennen strafbarer Inhalte. Seit Monaten werden unterschiedliche Maßstäbe für die Durchführung von Versammlungen angelegt. Vor allem aber: wirksames Eingreifen der Behörden scheitert nicht an fehlenden Rechtsgrundlagen, sondern an fehlendem Interesse und Engagement. Viel zu oft scheint der (im Einsatz einfachere) Weg, bei Auflagenverstößen durch Nazis nicht einzugreifen, für die Behörden auch der bessere Weg zu sein.
Vielleicht wäre es zum Problemverständnis nützlich, das Gespräch mit den Betroffenen der Beleidigungen und Angriffe im Umfeld und durch die Kundgebungen von Sven Liebich zu suchen, statt im Vorfeld von Nazidemos öffentlich dazu aufzurufen, zu Hause zu bleiben.
Ich lade den Innenminister herzlich dazu ein, mit mir vor Ort in Halle genau das zu tun. In Halle engagieren sich seit Jahren das Bündnis gegen Rechts und viele andere Gruppen und Personen gegen die extreme Rechte, sie brauchen eine Landesregierung die sich an ihre Seite stellt, statt das Versammlungsrecht einzuschränken.