Was braucht die Demokratie?

Tagung 80 Jahre danach: Machtübernahme der Nationalsozialisten

In der Gedenkveranstaltung am 2. Februar in Magdeburg wurde erst einmal deutlich, was der Weimarer Demokratie in den Augen ihrer Zeitgenossen fehlte: Legitimation sowie Vertrauen in die Lösung der schweren sozialen Verwerfungen seit der Weltwirtschaftskrise. Von den spät vorbereiteten Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung profitierten politisch erst die gerade an die Macht gekommenen Nazis. Das »Versagen der Republik in der sozialen Frage war Katalysator für die politische Legitimationskrise« (Daniela Schmohl). Eine – zwischen Revolutionserwartung und Verfassungstreue um jeden Preis – tief gespaltene Arbeiterbewegung war unfähig, dem Aufstieg der Nationalsozialisten wirksam zu begegnen. Die Diktatur wurde von vielen getragen, zu wenige haben sich der Beteiligung an Ausgrenzung, Verfolgung und Mord verweigert.

 

Während das politische System erodierte, polarisierte sich die öffentliche Meinung in allen gesellschaftlichen Bereichen, ob in der Schulpolitik, dem sozialen Wohnungsbau oder in der ästhetischen Diskussion. Mit der Radikalisierung der Weimarer Republik manifestierte sich eine »Erlösungserwartung«, die im Vortrag von Dr. Maik Hattenhorst mit zeitgenössischen Aufnahmen illustriert wurde. Bei der Besetzung des Magdeburger Rathauses 1933 versammelten sich tausende begeisterte Einwohnerinnen und Einwohner auf dem Vorplatz. Der Oberbürgermeister Ernst Reuter und sein Stellvertreter Herbert Goldschmidt werden mehrfach verhaftet und in der Lagerhaft entwürdigt, Goldschmidt wurde 1943 im KZ Riga ermordet.

 

Ein Stadtrundgang führte ebenso vor das Alte Rathaus Magdeburg, wie an andere Orte, an denen Verfolgung und Terror sichtbar gemacht werden können. An die zerstörte Synagoge erinnert heute das (erst 1988) in der DDR aufgestellte Mahnmal ebenso wie eine jüngere Tafel, die das damalige Gebäude zeigt. »Stolpersteine« des Künstlers Gunter Demnig erinnern an die als Jüdinnen und Juden verfolgten sowie an politisch verfolgte Menschen in Magdeburg. Die Spuren, ob sichtbar oder verdeckt, die Mahnmale und Tafeln im Stadtbild sind auch immer Hinweise auf unterschiedliche Erinnerungskulturen in Ost- und Westdeutschland. »Kommunistischer Widerstand war in der DDR omnipräsent, – seit 1989 wird diese Erinnerungslinie in Frage gestellt« (Pascal Begrich). So begründen politisch gewollte Traditionen, welche Opfer- oder Widerstandsgruppen eine besondere Würdigung erfahren. Die öffentliche Erinnerung ist damit ein nie abgeschlossener Prozess, der historische Fakten und Erkenntnisse immer mit der politisch und kulturell aktuellen Diskussion um Menschenrechte und die Werte in der Demokratie verbindet.

 

Für einen reflektionsreichen Tag ist allen Referenten, Gästen und Organisatoren herzlich zu danken, die Veranstaltung fand im wunderbaren Ambiente des »Forum Gestaltung Magdeburg« statt sowie als Kooperation von Miteinander e.V., DIE LINKE. Sachsen-Anhalt und DIE LINKE. Stadtverband Magdeburg.


Literatur 
Maik Hattenhorst: Magdeburg 1933. Eine rote Stadt wird braun, Halle 2010.