Soziale Grundrechte garantieren statt Schikane und Armut durch Hartz IV

Jörg (51) und Anja (43) sind arbeitslos, seit der Automobilzulieferer vor drei Jahren Insolvenz anmeldete. Das Jobcenter schickt Jörg und Anja regelmäßig Einladungen. Jedes Mal wollten sie mit ihnen über ihre berufliche Situation sprechen, konnten aber nichts anbieten. Jörg war KFZ-Mechaniker-Meister. Schließlich wollte ihm der Fallmanager einen Job als Wachmann aufzwingen, bei dem er gerade 5 Euro die Stunde erhalten hätte. Er wollte eine Arbeit, die seiner Qualifikation entsprach. Aber der Hauptgrund war, dass sie den Lohn als entwürdigend empfanden. Der Fallmanager kürzte Jörg daraufhin das Geld.


Die soziale Sicherheit schafft das Fundament, damit Menschen in Würde leben können. So kann an ihr abgelesen werden, wie wichtig Gerechtigkeit für eine Gesellschaft ist: Wer arm ist, darf nicht an den Rand gedrängt werden, Armut und ihre Ursachen zu bekämpfen, gehört ins Zentrum der Politik. Es sollte selbstverständlich sein, dass alle am Leben der Gesellschaft teilhaben können. Weil die sozialen Sicherungen, beispielsweise durch die Einführung von Hartz IV, systematisch geschwächt wurden, hat die Armut in Deutschland eine neue Dimension erhalten, immer mehr Menschen sind gezwungen, schlechte Jobs mit schlechten Löhnen anzunehmen: Das sei "zumutbar" und gehöre zu einer "neuen Freiwilligkeit". In Wahrheit geht es um höhere Gewinne für die Unternehmen und um die Senkung der Löhne, auch unter Zuhilfenahme staatlicher Subventionen für all jene, deren Löhne noch unterhalb des Existenzminimums liegen. Zunehmend treiben Armut und Sanktionsdruck sie in die Isolation, sie werden von der Teilhabe an der Gesellschaft, ihrem Reichtum, ihren Kulturgütern und den vielen kleinen und doch so wichtigen Begegnungen und Ereignissen im Alltag ausgeschlossen.


Die Massenerwerbslosigkeit kann nur reduziert werden, wenn zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden und die Arbeitszeit gerecht verteilt wird. Eine Arbeitsmarktpolitik, die die Ursache der Erwerbslosigkeit bei den Erwerbslosen selbst sucht, kann daher nur scheitern. Wir brauchen einen Kurswechsel in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, der konsequent mit der Hartz IV Logik bricht:


1| Eine Versicherung gegen Erwerbslosigkeit, die den Lebensstandard sichert und einen Absturz in Armut verhindert.

  • Auch bei Erwerbslosigkeit müssen die sozialen Leistungen den vorher erreichten Lebensstandard annähernd sicherstellen. DIE LINKE fordert ein Erwerbslosengeld, das leichter zugänglich ist und länger gezahlt wird. Selbständige wollen wir in die Erwerbslosenversicherung einbeziehen, so dass sie im Falle einer Insolvenz Anspruch auf Erwerbslosengeld haben. Die Sperrzeiten müssen abgeschafft werden, weil sie Ansprüche verwerfen, die regulär erworben und erarbeitet worden sind. Arbeitsangebote an Erwerbslose müssen deren berufliche Qualifikation berücksichtigen und deren ethische Überzeugungen; niemand darf gezwungen sein, gegen seine oder ihre Überzeugung eine Erwerbsarbeit anzunehmen.
  • Alle Erwerbslosen sollen unabhängig von der Dauer ihrer Erwerbslosigkeit einen Rechtsanspruch auf Förderung und Weiterbildung haben.


2| Eine Arbeitsmarktpolitik, die mit öffentlichen Mitteln mehr gute Arbeitsangebote schafft.

  • Mit einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS) wollen wir Menschen, die derzeit keiner regulären Beschäftigung nachgehen können, neue Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt eröffnen. Der ÖBS schafft zusätzliche, sinnvolle, existenzsichernde und tariflich abgesicherte Arbeitsplätze. Damit können zivilgesellschaftliche Strukturen wie Stadtteilzentren, Initiativen und kulturelle Projekte gestärkt werden. Öffentlich geförderte Beschäftigung muss sich an den Bedürfnissen der Erwerbslosen und an den regionalen Gegebenheiten ausrichten. Die Entlohnung darf einen Stundenlohn von zehn Euro und monatlich einen Bruttolohn von monatlich mindestens 1.500 Euro nicht unterschreiten. Auch hier sollte der Mindestlohn bis zum Ende der Wahlperiode auf mindestens 12 Euro steigen. Die Eingliederung beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit.
  • Im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge müssen vollwertige, tarifliche Arbeitsverhältnisse geschaffen werden.
  • Es müssen sofort mehr Mittel für Bildung und Qualifizierung von Erwerbslosen zur Verfügung gestellt werden.
  • Wir setzen uns für einen einklagbaren Rechtsanspruch für Erwerbslose auf Weiterqualifizierung und Beratung ein.
  • Die Krise kehrt zurück: Wir brauchen eine neue Initiative, um Arbeitsplätze zu schützen. Der Kündigungsschutz muss gestärkt und profitablen Unternehmen müssen Massenentlassungen verboten werden.


3| Schließlich sagen wir immer noch laut und deutlich: Hartz IV muss weg! Stattdessen brauchen wir eine bedarfsgerechte und sanktionsfreie Mindestsicherung, die Betroffene gegen Armut absichert und gesellschaftliche Teilhabe garantiert. Wir wollen öffentliche soziale Dienstleistungen und Infrastruktur ausbauen: öffentlicher entgeltfreier und ökologischer Nahverkehr, eine Gesundheitsversorgung ohne Zuzahlung, freier Zugang zum Internet sowie Kultur- und Kunstangebote, eine öffentlich organisierte Stromversorgung mit sozialer Preisgestaltung, kostenfreie und qualitativ hochwertige Essen in Schule und Kita, der Zugang zu einem Computer mit Internetzugang für jeden Schüler und jede Schülerin, Sozialtickets bei der Bahn.

  • Kurzfristig müssen die Hartz-IV-Regelsätze auf 500 Euro erhöht und die Sanktionen und so genannte "Ein-Euro-Jobs" abgeschafft werden. Wir wollen ein Konzept einbringen, in dem keine Mindestsicherung mehr unter 1.050 Euro liegt. Gegebenenfalls muss diese bei hohen Mieten durch Wohngeld ergänzt werden können. Die Mindestsicherung sichert sowohl erwerbsfähige als auch nicht erwerbsfähige Erwachsene, z. B. Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner.
  • Nachweisbare Sonderbedarfe werden zusätzlich übernommen.
  • DIE LINKE drängt darauf, anstelle der Bedarfs- und Einsatzgemeinschaften das Individualprinzip unter Berücksichtigung der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen einzuführen. Die Sonderregelungen für junge Menschen bis zum 25. Lebensjahr müssen abgeschafft werden.
  • Die Prozesskosten- und Beratungshilfe muss ausgebaut statt eingeschränkt werden. Rechtlicher Beistand bei Gerichtsverfahren muss auch Menschen mit einem geringen Einkommen ermöglicht werden. Übergangsweise müssen die Möglichkeiten erweitert werden, gegen Entscheidungen der Jobcenter und Agenturen vorzugehen.


Teile der LINKEN vertreten das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, um das Recht auf eine gesicherte Existenz und gesellschaftliche Teilhabe jedes Einzelnen von der Erwerbsarbeit zu entkoppeln. Dieses Konzept wird in der Partei kontrovers diskutiert. Diese Diskussion wollen wir weiterführen. Wir befürworten auch die Einsetzung einer Enquete-Kommission zum Grundeinkommen im Deutschen Bundestag.

  • Gemeinsam mit Sozialticket-Initiativen aus der gesamten Bundesrepublik werden wir in den Ländern und Kommunen für ein Sozialticket im öffentlichen Nahverkehr Druck machen. Perspektivisch ist der öffentliche Nahverkehr entgeltfrei zu organisieren.
  • Wir unterstützen die Selbstorganisation von Erwerbslosen und Geringverdienenden und werden gemeinsam mit Erwerbsloseninitiativen im Parlament und auf der Straße für eine sanktionsfreie Mindestsicherung aktiv werden. Wir fordern kostenfreie und unabhängige Beratungsstellen.

Wir stehen an der Seite der Menschen, die aus ihren Wohnungen und Wohnvierteln vertrieben werden und sich dagegen zur Wehr setzen.

  • Zwangsumzüge müssen gestoppt werden.


DIE LINKE wird sich an keiner Regierung beteiligen, die Privatisierungen der Daseinsvorsorge oder Sozialabbau betreibt oder deren Politik die Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes verschlechtert.