Das Öffentliche stärken: Enteignung der Bevölkerung stoppen

Zum "Wohl der Allgemeinheit" zu handeln, gilt als Aufgabe von Politik und Staat. Was aber als Allgemeinwohl verstanden wird und wie ihm am besten zu dienen ist, ist Gegenstand und Ergebnis der demokratischen Diskussionen, von sozialen Konflikten und Kämpfen. Wer erzeugt den gesellschaftlichen Reichtum und wer verfügt über ihn? Wer bestimmt, was, wann, wie, wo und in welchem Umfang produziert wird, und wem steht es zur Verfügung? Diese Fragen betreffen in ihrem Kern die Eigentumsfrage und daher das Wesen der Demokratie.


Der Ausbau des öffentlichen Eigentums, der Infrastruktur und Daseinsvorsorge muss von Anstrengungen begleitet sein, den Staat zu demokratisieren. Es muss mehr Partizipation und Transparenz geben. Partizipation heißt nicht nur, mitreden zu dürfen, sondern Entscheidungen wirksam beeinflussen zu können. Das heißt auch, dass zum Beispiel bei der Planung von Infrastrukturprojekten nicht nur über das "Wie", sondern auch über das "Ob" entschieden werden kann.


Auf allen politischen Ebenen, insbesondere in der Kommune, sollten Menschen auch in Fragen der Finanzen, des Wirtschaftens, der Entwicklung des kulturellen Lebens und der Bildung sowie der Gestaltung der Verwaltung unmittelbar mitwirken und mitentscheiden können: durch partizipative Haushalte und Planungsprozesse bis hin zu regionalen Räten für eine sozial-ökologische Strukturpolitik, die Industrie und Dienstleistungen gleichermaßen umfasst. Der Reichtum einer Gesellschaft muss sich nach unserer Auffassung in einem öffentlichen Reichtum und in den Lebenschancen aller niederschlagen. Nur diese Art von Reichtum kommt allen zugute und bildet die Grundlage für ein demokratisches Miteinander. Ohne leistungsfähiges öffentliches Eigentum, ohne staatliches, kommunales, regionales, aber auch genossenschaftliches oder gemeinschaftliches Eigentum kann eine Demokratie nicht funktionieren.

  • DIE LINKE streitet dafür, dass Bürgerinnen und Bürger den Zweck öffentlicher Unternehmen mitbestimmen und öffentliche Unternehmen und Einrichtungen kontrollieren können; sie müssen an Entscheidungen und an der Gestaltung ihres Lebensumfeldes beteiligt sein.
  • Wir wollen, dass öffentliche Unternehmen und Einrichtungen transparent arbeiten und Verträge, die die öffentliche Verwaltung abschließt, offengelegt werden. Die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten müssen ausgeweitet werden. Leiharbeit, Privatisierungen oder Dienst- und Werkverträge untergraben grundlegende Rechte der Beschäftigten und deren Mitbestimmung. Um diese Beschäftigten zu schützen, müssen nicht nur solche Arbeitsformen bekämpft werden: DIE LINKE tritt dafür ein, dass das Personalvertretungsrecht uneingeschränkt für alle Menschen gilt, die für eine Dienststelle tätig sind.


In den vergangenen 20 Jahren wurde öffentliches Eigentum in großem Umfang verkauft: Wohnungen, Krankenhäuser, Stromerzeuger, Verkehrs- und Wasserbetriebe, Rathäuser, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Es wurde versprochen: Die Privatisierung macht alles besser. Nachweisbar ist das Gegenteil eingetreten. Bürgerinnen und Bürger und Kommunen müssen oft für schlechtere Leistungen mehr und teuer bezahlen. Privatisierung bedeutet, dass die Menschen mehr zahlen müssen: für private Vorsorge, Arztbesuche, Zahnersatz, Schwimmbad, Musikschule. Diese Regel ist ebenso primitiv wie unbarmherzig: Wer zahlen kann, kann teilhaben. Wer zu wenig Geld hat, ist außen vor. Die Reichen grenzen sich ab und haben schon längst ihre eigene Welt gegründet.


Die Regierung verweist auf die Staatsschulden. Angeblich könnten "wir" uns das Öffentliche nicht mehr leisten, sonst würden wir unseren Kindern und Enkeln nur noch Schulden hinterlassen. Wir stellen dagegen fest: Gerade im Interesse unserer Kinder und Enkel dürfen wir das Gemeinwesen nicht dem Markt überantworten. Denn: Wo Daseinsvorsorge in privater Hand betrieben wird, steht nicht mehr die Leistung für die Menschen im Vordergrund, sondern Gewinnerzielung und Marktinteressen. Die Grundlagen für eine gerechte Gesellschaft werden mit der Privatisierung von Wasser über Energie, Nahverkehr bis zur Bildung zerstört.

  • Wir stehen für ein neues Modell einer leistungsfähigen, demokratischen, öffentlichen Daseinsvorsorge und Infrastruktur.
  • Alle müssen öffentliche Dienste und Einrichtungen nutzen können, unabhängig davon, wo sie wohnen.
  • Öffentliche Dienstleistungen müssen für jeden erschwinglich, diskriminierungs- und barrierefrei sein.
  • Öffentliche Dienstleistungen müssen einem hohen Umweltstandard gerecht werden.
  • Daher: Weg mit der "Schuldenbremse"! Das einzige, was diese bremst und zerstört ist die soziale, kulturelle und demokratische Entwicklung der Gesellschaft. Wir setzen uns ein für ihre Streichung aus dem Grundgesetz und aus allen Landesverfassungen.


Privatisierungen werden von der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt. Bürgerentscheide wie beispielsweise in Leipzig, Düsseldorf oder in Freiburg zeigen, dass der Widerstand gegen Privatisierungen wächst. Auch die Kommunen selbst haben mit den nicht bedachten Folgen der Privatisierung zu kämpfen. Die Finanzkrise offenbart schonungslos, wie risikoreich grenzüberschreitende Leasingverträge (Cross Border Leasing) oder undurchsichtige Zinsgeschäfte sind. Diese finanziellen Bruchlandungen werden ebenso wie die teurer werdenden Kredite die Kommunalhaushalte auf Jahre hinaus erheblich belasten. Etliche Privatisierungen sind rückgängig gemacht und Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge erfolgreich wieder kommunalisiert worden. Nicht selten haben dabei Bürgerinitiativen und Bürgerentscheide eine entscheidende Rolle gespielt.


DIE LINKE setzt auf Privatisierungsbremse statt Schuldenbremse. Wir werden uns an keiner Regierung beteiligen oder sie tolerieren, die öffentliche Daseinsvorsorge privatisiert.

  • Wir wollen, dass die Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen ebenso gestoppt wird wie Public-Private-Partnership-Projekte.
  • Es muss wieder Regel werden: Öffentliche Einrichtungen werden in öffentlicher Verantwortung betrieben.
  • Bürger- und Volksentscheide zu Privatisierungen sind in der Vergangenheit häufig zugunsten des öffentlichen Eigentums ausgegangen.
  • Wir wollen, dass Wasser und andere Güter der Daseinsvorsorge unverkäuflich sind. Bis das durchgesetzt ist, müssen alle Privatisierungsvorhaben den Bürgerinnen und Bürgern zur Abstimmung vorgelegt werden. DIE LINKE kämpft auch auf EU-Ebene gegen Privatisierungsdruck und Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung. Wir wenden uns aktuell gegen solche Vorstöße bei der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, die aus geplanten Änderungen der Dienstleistungsrichtlinie und der Konzessionsrichtlinie der EU folgen können. Wir unterstützen deshalb das Europäische Bürgerbegehren "Wasser ist ein Menschenrecht".
  • Privatisierte Bereiche der Daseinsvorsorge wollen wir rekommunalisieren. Wir wollen die elementare Daseinsvorsorge wie Gesundheitsdienste, Wohnen, Bildung, Kultur, Energie, Wasser, öffentlichen Personennahverkehr, Fernverkehr und Abfallentsorgung in öffentlicher Hand organisieren. Auch die auf Bundesebene vorgenommenen Privatisierungen von Post, Postbank und Telekom wollen wir im Interesse der Gesellschaft, der Nutzerinnen und Nutzer und betroffenen Beschäftigten wieder rückgängig machen.
  • Privatisierte Krankenhäuser, Jugendhilfe- und Pflegeeinrichtungen wollen wir in nichtkommerzielle Trägerschaften überführen.
  • Der öffentliche Dienst und die öffentlichen Unternehmen müssen sich am gesellschaftlichen Bedarf orientieren. Unter anderem heißt das: Es wird kein Personal mehr abgebaut. Verwaltungen werden entsprechend dort umgebaut oder aufgestockt, wo der Bedarf sich geändert hat.
  • Der öffentliche Dienst ist Vorbild in Sachen Ausbildung. Der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund soll erhöht werden, auch um dort, wo es den Bedarf gibt, die Mehrsprachigkeit in der Verwaltung zu gewährleisten.
  • Die Beschäftigten in der Verwaltung, in öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen müssen Einfluss auf deren Entwicklung nehmen können, also an Entscheidungen in den Einrichtungen und Unternehmen direkt beteiligt werden.


Öffentliches Eigentum zu privatisieren bedeutet Verlust an Transparenz, öffentlicher Einflussnahme und Mitentscheidung an der Entwicklung kommunaler Dienstleistungen sowie an öffentlicher Kontrolle. Nur öffentliche Unternehmen und öffentliches Eigentum bieten die Chance einer demokratischen Kontrolle und Mitbestimmung durch Bürgerinnen und Bürger sowie Beschäftigte. Öffentliches Eigentum und Bürgerbeteiligung gehören zusammen. Bürgerinnen und Bürger sind von Anfang an in kommunale Entscheidungen einzubeziehen. Es muss öffentlich diskutiert werden, welche Aufgaben und Angebote in öffentlicher Verantwortung erledigt und hergestellt werden.


Eine Demokratie funktioniert nur, wenn sie die Ziele demokratischer Mehrheiten auch gegenüber wirtschaftlicher Macht durchsetzen kann. Den Unternehmen müssen die Ziele des Wirtschaftens und ein klar definierter Handlungsrahmen durch die Parlamente vorgegeben werden. Deshalb treten wir für eine neue Wirtschafts- und Sozialordnung ein. Der Finanzsektor muss demokratisch kontrolliert werden. In Zukunft sollen alle Banken dem Gemeinwohl dienen. Deshalb ist es geboten, die privaten Großbanken zu vergesellschaften. Denn gerade sie sind es, die mit ihrer Macht Staaten erpressen und gegeneinander ausspielen. Das Thema Wirtschaftsdemokratie gehört ebenso auf die Tagesordnung. Wer den Unternehmen und den Finanzfonds freie Hand lässt, verhindert Demokratie. Genau dies erleben wir jetzt täglich. Jedes einzelne Unternehmen muss bei seinen Entscheidungen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gerecht werden.


Wir wollen private Banken vergesellschaften, den Finanzsektor öffentlicher Kontrolle unterwerfen und strikt regulieren, den privaten Bankensektor in die öffentliche Hand überführen und – entsprechend den Sparkassen – auf das Gemeinwohl verpflichten (vgl. Kapitel II).


Die Wirtschaft wollen wir demokratisieren: Belegschaften sollen sich an den großen Unternehmen beteiligen können; staatliche Hilfen werden nur im Tausch gegen entsprechende Eigentumsanteile der öffentlichen Hand und der Belegschaften vergeben; Verstaatlichungen oder Teilverstaatlichungen sind mit demokratischer Kontrolle und mehr Mitbestimmung zu verbinden. Um solidarische Ökonomie zu unterstützen, müssen Genossenschaften stärker gefördert werden, auch mit dem Instrument der Arbeitsmarktpolitik.


In verschiedenen sozialen Bewegungen, besonders im globalen Süden, hat sich das Konzept der "Commons", der Gemeingüter, verbreitet. Freie Software, die nicht für den Markt entwickelt und verbreitet wird, hat diese Diskussion weiter befördert: Computer, Internet, Digitalisierung spielen im Leben von immer mehr Menschen eine große Rolle. "Commons" meint häufig "Ressourcen" wie Land, Wohnen, Wasser, auch nicht materielle Güter wie Wissen und Information. Im Vordergrund steht, dass die Güter gemeinschaftlich genutzt werden. Sie werden nicht besessen und nicht im freien Wettbewerb (auf)gebraucht – und wie sie genutzt werden, darf nicht nach Regeln verlaufen, die von Konzernen diktiert werden. Wir wollen weiter diskutieren, wie Formen von bedarfsorientierter, demokratisch organisierter und solidarischer Produktion und Nutzung unterstützt werden können und welche Bedeutung den "Commons" und der Gemeingüterwirtschaft dabei zukommt.