Gemeinschaftsschule eher Etikettenschwindel als großer Wurf?

Zur Ankündigung einer Schulgesetznovelle für die Einführung von Gemeinschaftsschulen erklärt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Birke Bull:

„Nach wie vor bleiben die Regelungen im Vagen. Es ist überfällig, eine öffentliche Aussprache über die Schulreform zu beginnen. Wie mit dem Bildungskonvent begonnen, muss über die künftige Entwicklung der Schulen mit Eltern, Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, mit Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern sowie weiteren Bildungsfachleuten  gesprochen werden - und das nicht nur hinter verschlossenen Türen.

Was bisher bekannt ist, wirkt eher wie ein Etikettenschwindel als ein großer Wurf. Es bleibt unklar, wozu diese neue Schulform eigentlich eingeführt werden muss. Politischen Willen vorausgesetzt, ist alles, was bekannt wird, auch heute schon an Sekundarschulen oder Gesamtschulen möglich. Erforderlich aber sind Lösungen für alle Schulen.

Insbesondere den Sekundarschulen müssen neue Möglichkeiten und Perspektiven eröffnet werden. Wir brauchen mehr Chancengleichheit durch den Abbau von Gliederung, durch die Entwicklung von Inklusion. Dazu gehören eine Erhöhung des allgemeinen Bildungsniveaus für alle Schülerinnen und Schüler, die Überwindung der schon früh einsetzenden Bildungsgangentscheidungen, die Stärkung systematischer polytechnischer Bildung und eine langfristig gesicherte sozialpädagogische Arbeit. Diese Fragen stehen vor allen Schulen, punktuelle Lösungen reichen nicht. Die Spielräume, auch die Kultusministerkonferenz gesetzten, sind hier größer, als der politische Mut zur Umsetzung.

Und das zurzeit an den Schulen am heißesten diskutierte Thema, die weitere Entwicklung des gemeinsamen Unterrichts hin zu inklusiver Bildung bleibt ganz außen vor. Hier müssen endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Über die weitere Entwicklung der Schulen in der Sekundarstufe I nachzudenken und diese Fragen auszuklammern, ist ein Unding.

Die Streitpunkte in der Koalition sind bezeichnend: Es geht schon vor dem Start der Reform darum, wie man das Rad wieder zurückdrehen kann. Und es geht um den „ersetzenden Charakter“ der neuen Schulform, Gemeinschaftsschule. Wenn Sekundarschulen und Gymnasien gerade in dünnbesiedelten Räumen ihre Potentiale nicht bündeln können und Schülerströme zusammenführen, ist die Gemeinschaftsschule auch kein Instrument, attraktive Schulangebote ortsnäher vorzuhalten. Das Interesse der Landkreise an der Reform wird nicht gestärkt, wenn sie im Falle einer Gemeinschaftsschulgründung dann trotzdem aufwendige Schülerbeförderung zum Gymnasium bezahlen müssen.“

Magdeburg, 24. April 2012