Aktuelle Debatte zum Verfassungsschutz: Welche Verbindungen hatte der „Nationalsozialistischer Untergrund“ nach Sachsen-Anhalt?

Ein Beitrag der rechtspolitischen Sprecherin unserer Landtagsfraktion, Eva von Angern

Die Debatte um die Arbeit des Verfassungsschutzes in Verbindung mit der Aufklärung der Verbrechen des NSU ist nun auch in Sachsen-Anhalt angekommen. Grundlegend geht es dabei um die Frage, welchen Auftrag Verfassungsschutz-behörden in der Demokratie haben und wie sie ihm gerecht geworden sind oder eben nicht. Und letztlich stellt nicht nur DIE LINKE in Deutschland die Frage, ob unsere Gesellschaft, unsere Demokratie überhaupt eine Behörde Verfassungsschutz benötigt.
Immer deutlicher wird, dass die Behörden, dass letztlich der demokratische Staat versagt hat in der Erledigung der Aufgabe, Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger vor braunem Terror zu schützen. Es geht um die Frage, ob die Dienste nichts wussten oder ob sie ihr Wissen wegen verantwortungsloser Schlampereien nicht nutzen konnten oder aus anderen Gründen bewusst nicht nutzen wollten. Es geht damit auch um von der Verfassungsschutzbehörde geführte V-Leute, um deren Auswahl, deren Finanzierung und damit ggf. auch Finanzierung rechtsextremer Strukturen. Es geht auch um das Infragestellen des von Geheimdiensten gelebten Grundsatzes „Quellenschutz vor Strafverfolgung“, denn dieser Grundsatz gefährdet Menschenleben!
Die Lage ist zwischenzeitlich so ernst, dass nur noch durch die uneingeschränkte, die schonungslose und entschlossene Aufklärung durch die Parlamente auf Landes- und Bundesebene versucht werden kann, Vertrauen wiederherzustellen. Und: Parlamente müssen die Ursachen des Versagens des Staates im Kampf gegen den braunen Terror rückhaltlos aufklären, um etwa als Gesetzgeber oder als Inhaber der Budgethoheit oder eben als Kontrolleure der Landesregierung UNSERER Verantwortung gerecht zu werden.
Für einige stellen die Anstrengungen von Abgeordneten, Licht in dieses diffuse Agieren der Sicherheitsbehörden, die eigentliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. (Siehe Veröffentlichungen in der Volksstimme, u.a. Zitate des Innenministers Stahlknecht hierzu) Nach deren Logik müssten die LINKEN nur ihre Mitwirkung an den Kontrollgremien des Bundes und Sachsen-Anhalts einstellen, müssten Kontrollkommissionen und Untersuchungsausschüsse vielleicht ganz abgeschafft werden, und alles wäre gut. Das alles sind Nebelkerzen, die von den eigentlichen Problemen ablenken sollen.
Tatsache ist, dass Nazis über 13 Jahre hinweg Menschen ermorden konnten. Dies geschah unter den Augen der Geheimdienste. Bzw. sie haben es wahrgenommen, aber nicht verhindert und nicht beendet. Stattdessen wurden die Täter von Medien, Polizei, Behörden und Politik reflexartig und in der Bedienung gängiger Stigma und Ressentiments im sogenannten mirgantischen Milieu, Mafiastrukturen etc. vermutet.
Es sind Verbrechen, die uns nachhaltig erschüttert haben und gerade aufgrund unseres historischen Erbes auch international Erschütterung verursacht haben. Die von der Bundeskanzlerin den Opfern versprochene Aufklärung ist zwingend erforderlich und lässt keinen Ermessensspielraum zu.

DIE LINKE verlangt deshalb die sofortige, vollständige und vor allem öffentliche Aufklärung - das heißt: außerhalb der „verschlossenen Räume der PKK“ -  über alle Beziehungen von gewaltbereiten Neonazis aus Sachsen-Anhalt zum Thüringer Heimatschutz und zu Mitgliedern des NSU. Deshalb bleibt die Fraktion DIE LINKE bei ihrer Forderung, alle Akten, die über die Verbindung der NSU-Mitglieder nach Sachsen-Anhalt Auskunft geben, dem Innenausschuss des Landtages vorzulegen. Es geht um die Klärung der Frage, wie weit in den Staat hinein die Mitverantwortung für den NSU-Terror reicht.

Wir brauchen dringend andere Antworten auf den rechtsextremen Ungeist in unserer Gesellschaft. Parlamentarische Kontrollgremien können dieses grundsätzliche Problem nicht lösen. Denn es ist letztendlich im System angelegt, dass Parlamenten die Kontrolle eines nachrichtendienstlichen Verfassungsschutzes im Sinne von Grundrechtsschutz und Demokratie weitestgehend nicht möglich ist. Nach wie vor fordert DIE LINKE daher die Abschaffung der Verfassungsschutzämter. Wir brauchen keine V-Leute. Wir brauchen keine Überwachung des Fernmelde- und Postverkehrs und immer wieder gewünscht des Internets. Information und Dokumentation der rechtsextremen Szene geht auch auf andere Weise; ist auf wissenschaftlicher Basis möglich und sollte vor allem zum Ziel haben, Handlungsempfehlungen für politische Verantwortungsträger gegen rechtsextremen Zeitgeist zu entwickeln.

Eva von Angern
Rechtspolitische Sprecherin