33 Jahre Deutsche Einheit – Sonntagsreden ersetzen keine Anerkennung

Eva von Angern

Eva von Angern, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, betont in der heutigen Landtagsdebatte um gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West:

„Es geht, bis heute, um ungleiche Chancen. Darum, dass Menschen, die in der DDR und im östlichen Deutschland geboren worden, im Schnitt weniger erreichen können als ihre westdeutschen Nachbarn. Lange wurde öffentlich argumentiert, der Osten hänge halt hinterher bei wirtschaftlicher Produktivität und Effizienz. Das war pauschal aber nie richtig, denn die Altenpflegerin macht die gleiche Arbeit am Menschen, egal, wo das Seniorenheim steht.

Trotzdem wird im Westen mehr verdient und meist auch kürzer gearbeitet. Wir leisten uns – mal aus gesamtdeutscher Perspektive gesprochen – seit 30 Jahren eine strukturelle Abwertung, eine Verkoppelung von Herkunft und zugeschriebener Kompetenz. Noch augenfälliger wird dies bei Menschen, die erkennbar oder vermutbar Zugewanderte sind. Wir übersetzen also falscherweise ökonomische Benachteiligung in persönliche Unzulänglichkeit. Das gilt für die Stellung von Migrantinnen und Migranten in unserem Land, das gilt tendenziell für Frauen, und es gilt eben auch für Ostdeutsche. Diese Geringschätzung von Menschen ist ein demokratisches Problem. Es geht längst nicht mehr um blühende Landschaften, es geht um das Ideal von Freiheit und Gleichheit.

Der industriell entkernte Osten ist bis heute Niedriglohnland. Und die Niedriglohnstrategie ist eng verbunden mit dem Agieren der CDU in der Landesregierung. Machen sie eine Politik, die an der Lohnstruktur Ost etwas ändert. Setzen sie öffentliches Geld im öffentlichen Interesse ein. Derzeit werden Fördermittel in Milliardenhöhe für Industrieansiedlungen zugesichert. Binden Sie die Zusagen an Bedingungen für die Qualität der Arbeitsplätze, für den schonenden Ressourcenverbrauch von Wasser und Energie. Aber es geht bisher genau so weiter, wie es in den 90er Jahren begonnen hat. Wenige Unternehmer und Konzerne schalten und walten im ganz eigenen Interesse. Der Strukturwandel Ost darf nicht schon wieder in Wild-West-Manier erfolgen.

 

Es gibt neben den Beschäftigten eine weitere Gruppe, die uns heute aufmerksam zuhören wird. Diejenigen, die bereits seit 10, 20 Jahren in der verdienten Rente sind. CDU und SPD hatten sich in der alten Bundesregierung auf einen Härtefallfonds zum Ausgleich für Regelungslücken bei ostdeutschen Rentnern geeinigt. Umgesetzt hat den Fonds aber erst die neue Bundesregierung, die Ampel. Die Landesregierung hat eine Beteiligung am Fonds abgelehnt. Der Seniorinnenrat aus Halle hat dazu eine Petition an den Landtag gerichtet. Nur ein Bruchteil der Anträge, nämlich unter 10 Prozent, betrafen überhaupt ostdeutsche Rentnerinnen mit DDR-Biographie. Der weit größere Teil der Anträge kommt von Menschen, die als Kontingentflüchtlinge aus Osteuropa nach Deutschland kamen. Bisher ist nur eine zweistellige Zahl von bewilligten Anträgen bekannt. Das bestätigt unsere bittersten Befürchtungen: also bislang nur ein paar Dutzend Bewilligungen von 2.500 Euro! Vor dieser finanziellen „Belastung“ im Landeshaushalt haben sie sich also gesträubt.

Ausgerechnet der Bundesvorsitzende der CDU, Friedrich Merz, hat bei einem Magdeburger Besuch versprochen, er wolle sich ein paar Gedanken um die Vermögensbildung für Ostdeutsche machen. Bitte nicht schon wieder ein westdeutscher „Experte“ für den Osten! Ihm traue ich weder die Interessenvertretung für Ostdeutsche, und schon gar nicht ein Verständnis für migrantische oder feministische Belange zu. Vergleichbare Arbeitstätigkeiten an vergleichbaren Arbeitsorten dürfen nicht unterschiedlich bewertet werden. Es darf da – rückschauend betrachtet – keinen unterschiedlichen Rentenanspruch geben. Es darf – aktuell betrachtet – keine Lohnabwertung Ost geben. Beenden sie den Irrwitz von Arbeitsbiographien 1., 2. und 3. Klasse in diesem Land.

Die Lohnlücke Ost setzt sich fort in der Rentenlücke Ost. Die erst in diesem Jahr erfolgte gesetzliche Angleichung der Rentenpunkte ist verbunden mit der schrittweisen Absenkung der bisherigen Höherwertung der Ostlöhne. DIE LINKE will deshalb generell für Beschäftigtenzeiten mit Niedriglohn in Ost wie West eine höhere Wertung in der Rente einführen.“