Streit um Abiturnoten ist eine Farce

Thomas Lippmann (MdL)

Zur anhaltenden Diskussion um die angeblichen Unterschiede bei der Vergabe von Abiturnoten, die vom Bundesvorsitzenden des Philologenverbandes losgetreten wurde, erklärt der bildungspolitische Sprecher der Fraktion Thomas Lippmann:

Zur anhaltenden Diskussion um die angeblichen Unterschiede bei der Vergabe von Abiturnoten, die vom Bundesvorsitzenden des Philologenverbandes losgetreten wurde, erklärt der bildungspolitische Sprecher der Fraktion Thomas Lippmann: 

„Die Forderung, durch Reformen zu einer besseren Vergleichbarkeit von Abiturnoten zu kommen, ist aus pädagogischer Sicht nichts als eine Farce. In den regelmäßig wiederkehrenden Debatten wird immer wieder unterstellt, dass es objektive Maßstäbe für die Zensierung gegeben könnte. Das ist aber eine klare Fehleinschätzung, denn Noten beinhalten neben objektiven Anforderungen an die Leistungen der Schüler*innen auch immer die subjektive, pädagogisch geleitete Bewertung der jeweiligen Lehrkräfte, die sich durch keine Reform eliminieren lassen.

In Wahrheit geht es hier nicht um eine Vergleichbarkeit von Abschlüssen, sondern um die Konkurrenz in Bezug auf begehrte Studienplätze. Die Abiturnoten gewinnen erst dann übermäßig an Bedeutung, wenn durch hohe Bewerberzahlen der Zugang zum Studium durch einen Numerus clausus (NC) beschränkt wird. Dann nämlich wird unterstellt, dass es Bundesländer gibt, die ihre Abiturient*innen durch geringere Anforderungen und damit letztlich durch bessere Noten bei der Studienvergabe bevorteilen. Üblicherweise werden diese Diskussionen aus dem Süden der Republik und speziell von Bayern aus geführt.

Schulleistungsuntersuchungen haben in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass es tatsächlich erhebliche Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Schulsysteme in den verschiedenen Bundesländern gibt. Dabei stehen Bayern und Baden-Württemberg schon längst nicht mehr unangefochten an der Spitze. Sie müssen sich vielfach den Ergebnissen aus Sachsen und Thüringen geschlagen geben. Das schlägt sich natürlich auch in den Abiturergebnissen nieder.

Auch Abiturient*innen aus Sachsen-Anhalt können sich hinsichtlich ihrer tatsächlichen Leistungen sehr gut mit ihren Altersgenoss*innen in den anderen Bundesländern messen. Sie sind aber im Hinblick auf die Berechnung ihrer Abiturgesamtnote, die in NC-Fächern im Wesentlichen über den Studienzugang bestimmt, tatsächlich benachteiligt. Diese Berechnungsvorschriften, die sich insbesondere im Umfang der einzubringenden Leistungen und deren Gewichtung unterscheiden, sollten tatsächlich schnellstens bundesweit einheitlich gestaltet werden.

Das ist viel naheliegender und kurzfristig umsetzbar, als immer wieder ergebnislos über einheitliche Lehrpläne, Aufgaben und Prüfungen zu streiten. Gegen einen gemeinsamen Aufgabenpool niveaubestimmender Aufgaben und eine Vereinheitlichung von Lehrplananforderungen ist nichts einzuwenden. Diese scheitern aber bisher weitgehend an den verschiedenen Länderinteressen.

Dass Sachsen-Anhalt seine Verordnung für die Gymnasiale Oberstufe demnächst den Regelungen in anderen Bundesländern angleichen will, ist im Interesse unserer Abiturient*innen nur zu begrüßen. Dabei muss aber über die verschiedenen Pläne noch gründlich diskutiert werden. Ob z.B. wieder ein Abitur ohne Abschlussprüfung in Mathematik oder Deutsch ermöglicht werden sollte, wie von Bildungsminister Tullner in Aussicht gestellt, sollte noch ernsthaft geprüft werden. Möglicherweise wird hier das „Kind mit dem Bade ausgegossen“.“

Magdeburg, 30. Juli 2016