Bundesparteitag in Erfurt

Anstrengend war es aber überaus erfahrungsreich. Nach dem Wochenende brauchte es ein paar Tage, um die vielen Eindrücke zu verarbeiten - es gibt sogar Hinweise, dass einer unserer Harzer

Delegierten in der Nacht von Sonntag auf Montag im Schlaf noch von Änderungsanträgen sprach. Wenn man im Nachgang so manche Beiträge in den sozialen Medien oder den Zeitungen las, könnte man meinen, wir wären auf einem anderen Parteitag gewesen. Dieser Parteitag war so wenig vorhersagbar wie lange nicht mehr und es lag bis zur letzten Stunde eine gewisse Anspannung in der Luft. Man kann es schon als surreal beschreiben, die vielen Gesichter, die man nur online „kennt“, in echt zu erleben.

Wir freuen uns sehr über den neuen, verkleinerten Vorstand  - mit den Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan. Rund sechs Mitglieder der 26 neuen Vorstandsmitglieder – Dana

Lützkendorf, Tupac Orellana Mardones, Ellen Ost, Jan Richter, Jana Seppelt und Frank Tempel – stehen haupt- oder ehrenamtlich für gewerkschaftliche Politik. Des Weiteren gibt es jetzt eine jugendpolitische Sprecherin (Kathrin Gebel) und eine Sprecherin des Studierendenverbandes (Daphne Weber). Mit Ates Gürpinar und Lorenz Gösta Beutin haben wir starke Sprecher für Gesundheits- und Klimapolitik als stellvertretende Vorsitzende gewählt.

Für unseren Kandidaten Karsten Lippmann hat es leider nicht gereicht aber mit Wulf Gallert und Kerstin Eisenreich ist auch Sachsen-Anhalt im neuen Bundesvorstand vertreten.

Erste wichtige Beschlüsse wurden zur Bearbeitung zu #linkemetoo gefasst. Hierzu gab es am Freitag eine Generaldebatte, ein FLINTA-Plenum und einen Workshop zu kritischer Männlichkeit. Der Umgangston war nicht immer solidarisch, zeitweise hoch problematisch - sowohl vor Ort aber auch in den sozialen Medien. Der Satzungsänderungsantrag 14 zu Aufgaben des Parteivorstandes konnte nicht beschlossen werden, weil am Sonntagnachmittag bereits zu viele Delegierte abgereist waren.

Hier haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns und gemeinsam mit dem Jugendverband muss nun eine ernsthafte Aufarbeitung und Konsequenzen erarbeitet werden.

Außerdem wurden wichtige programmatische Beschlüsse für die Partei gefasst. So haben wir einen sehr guten Antrag zur sozial-ökologischen Transformation beschlossen, der klar macht, Klimapolitik ist Klassenpolitik. Deswegen halten wir an der Klimaneutralität 2035 und dem 1,5-Grad-Ziel fest. Wir brauchen eine glaubwürdige Energie - und Klimapolitik, als integralen Bestandteil linker Politik, bei

der es nicht darum geht, den Kapitalismus grün anzumalen, sondern ihn zu überwinden, hin zu einer solidarischen und ökologischen Gesellschaft.

Mit dem Beschluss von Leitantrag 3 haben uns außenpolitisch klar positioniert und der befürchteten Aufweichung friedenspolitischer Positionen konnte eine Absage erteilt werden. Mit Wulf Gallert und Christine Buchholz sind zwei Mitglieder im Parteivorstand, die von unterschiedlicher Perspektive die Debatte miteinander führen werden.

Sehr bewegende Grußworte kamen von Olena Slobodian aus der Ukraine und von der russischen Philosophin und Professorin Oxana Timofeeva, die am darauffolgenden Tag zurück nach Russland reisen musste und einer ungewissen Zukunft entgegengeht.

Der Leitantrag 2 konnte leider nicht behandelt werden, trotz vieler Überstunden und wenig Schlaf. Die Anträge zu Parteiauf- und -umbau, Kampagnen, Organizing sowie eine nötige Strukturreform müssen jetzt kommen und mit unserem neuen Bundesgeschäftsführer Tobias Bank wird das hoffentlich schnell angegangen. Unsere Partei muss sich sehr konsequent mit der eigenen innerparteilichen Demokratie befassen und jede:r muss diese achten, sonst wird es einfach ein Selbstbedienungsladen und das ist weder demokratisch noch sozialistisch.

Kein Aufbruch aber ein Anfang mit einigen klaren Entscheidungen. Jetzt wird es darauf ankommen sich endlich wieder mehr in die gesellschaftlichen Debatten um die gestiegenen Preise, die Aufrüstung, die Inflation und die Auseinandersetzung um den Klimawandel einzumischen. Das bedeutet vor allem: Beschlüsse ernst nehmen und sie geschlossen nach außen vertreten.