Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen


Polizeigesetz in Teilen verfassungswidrig

Henriette Quade, stellv. Landesvorsitzende der Partei DIE LINKE. Sachsen-Anhalt, kommentiert das Urteil des Landesverfassungsgerichtes zum neuen Polizeigesetz in Sachsen-Anhalt.

Landesverfassungsgericht: Polizeigesetz teilweise gekippt

Das seit 2013 geltende Polizeigesetz ist in Teilen verfassungswidrig. Die Landesregierung hat geschlampt und Fehler gemacht – gerade beim Handwerkszeug für diejenigen, die Recht und Gesetz wahren und durchsetzen sollen. Das Landesverfassungsgericht hat jetzt der Klage der LINKEN und der GRÜNEN in Teilen stattgegeben. Der Gang vor das Landesverfassungsgericht war der letzte Schritt, der der Opposition gegen die Stimmen der Regierungskoalition von CDU und SPD im Landtag blieb. Das Verfassungsgericht hat uns heute in unserer Überzeugung bestätigt:  Die Verfassung bleibt die Grundlage für politisches Handeln – verpflichtend auch für die Regierung.

mehr...

Landesverfassungsgericht verhandelt über Polizeigesetz

Die Landtagsfraktion der LINKEN hat gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Normenkontrollantrag gegen das im vergangenen Jahr verabschiedete "Sicherheits- und Ordnungsgesetz in Sachsen-Anhalt" (SOG) gestellt. Immer wieder hatte DIE LINKE dieses Gesetz kritisiert. mehr...

Normenkontrollantrag zum Polizeigesetz

CDU und SPD müssen Verfassung achten

Henriette Quade (DIE LINKE) und Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das neue Polizeigesetz (Sicherheits- und Ordnungsgesetz, SOG LSA) erweitert die bestehenden Befugnisse der Polizei deutlich zu Lasten der Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern. Im Februar dieses Jahres verabschiedete der Landtag das Gesetz mit den Stimmen von CDU und SPD – gegen die Stimmen der Opposition, gegen die Kritik zahlreicher außerparlamentarischer Organisationen und ohne Beachtung der im Anhörungsverfahren vorgetragenen Bedenken von Juristinnen und Juristen, Medizinerinnen und Medizinern sowie anderer Sachverständiger.

Zum jetzt eingereichten Normenkontrollantrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN äußern sich Henriette Quade (DIE LINKE) und Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

„Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und SPD schenkten bei der Novellierung des Polizeigesetzes den Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger keine Beachtung. Von daher sehen wir uns gezwungen, das Gesetz vom Landesverfassungsgericht überprüfen zu lassen.“

„Die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN messen den Grundrechten große Bedeutung zu. Bereits im Gesetzgebungsverfahren verwiesen wir auf die fehlende Notwendigkeit zur Verschärfung der im Normenkontrollantrag angegriffenen gesetzlichen Bestimmungen. Neben dieser politischen Kritik trugen wir von Anfang an schwere juristische Bedenken vor, die die Sachverständigen bei der Anhörung bestätigten. Überdies wurden die Änderungen gegen den Willen eines Drittels der gewählten Vertreterinnen und Vertreter des Volkes beschlossen.“

„DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nutzten die vergangenen Monate dazu, das SOG juristisch zu prüfen. In dieser Woche reichten 37 Abgeordnete beider Fraktionen einen Normenkontrollantrag beim Landesverfassungsgericht ein. Folgende gesetzliche Neuregelungen halten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE für verfassungswidrig:

  • Anfertigung von Videoaufzeichnungen zur Eigensicherung bei Anhalte- und Kontrollsituationen im Straßenverkehr (§ 16 Abs.3),
  • Erhebung von Telekommunikationsdaten, -inhalten (§ 17a) und -umständen in informationstechnischen Systemen (§ 17b),
  • Unterbrechung und Verhinderung von mobilen Kommunikationsverbindungen (§ 33) und
  • zwangsweise Untersuchung von Personen bei Verdacht auf Übertragung „besonders gefährlicher Krankheitserreger“ (§ 41 Abs. 6) und
  • Alkoholgefahren (§ 94a).

Die Landtagsmehrheit aus CDU und SPD verletzt nach Einschätzung der klagenden Abgeordneten mit dem verabschiedeten Polizeigesetz in schwerwiegender Weise insbesondere:

  • die allgemeine Handlungsfreiheit jeder/s Einzelnen,
  • das Recht auf informationelle Selbstbestimmung,
  • das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten,
  • das Recht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systemen als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts,
  • das Brief-, Post-, und Fernmeldegeheimnis,
  • das Recht auf Versammlungsfreiheit und
  • das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

„Die 37 Antragsteller aus den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hoffen, dass das Landesverfassungsgericht ihren Argumenten folgt und die Landesregierung und die Landtagsmehrheit zur Einhaltung der Verfassung und zum Schutz der Grundrechte der sachsen-anhaltischen Bürgerinnen und Bürger verpflichtet.“

Regierungskoalition beschließt Polizeigesetz

Das umstrittene Polizeigesetz für Sachsen-Anhalt wurde am 20. Februar mit den Stimmen der Regierungsparteien CDU und SPD beschlossen. Wir bleiben dabei: Dieses Gesetz ist in Teilen verfassungswidrig und arbeitet mit einem fragwürdigen Sicherheitsbegriff, der die Unschuldsvermutung für Bürgerinnen und Bürger ignoriert und aushebelt! Unserem Protest folgt die Vorbereitung einer Klage vor dem Landesverfassungsgericht.

 Videoübertragung aus dem Plenum der Landtagssitzung vom 20.-22. Februar, am 20. Februar ab 10.10 Uhr fand die Debatte zum Polizeigesetz statt.

NEIN zum Polizeigesetz der Landesregierung!

»Freiheit stirbt mit Sicherheit«: Ein alter Slogan, der jetzt ein ganzes Stück mehr Realität werden könnte. In Sachsen-Anhalt soll bereits Ende Februar 2013 ein neues Polizeigesetz beschlossen werden.

Der vorgelegte Entwurf der Landesregierung sieht eine enorme Ausweitung polizeilicher Befugnisse vor. Die Landesregierung versucht damit den Eindruck zu erwecken, in Sachsen-Anhalt gäbe es riesige Sicherheitslücken, die dringend geschlossen werden müssten. Die unverhältnismäßige Einschränkung von in Grundgesetz und Landesverfassung verbrieften Grundrechten, nimmt sie dabei nicht nur leichtfertig in Kauf – sie betreibt ihn auch ganz bewusst.


Zahlreiche Sachverständige haben in der Expert_innenanhörung des Landtages juristische und verfassungrechtliche, fachliche und auch medizinische Einwände gegen den Gesetzesentwurf der Landesregierung dargestellt. Diese wäre gut beraten, der vielfältigen Expertise, die sich aus dieser Anhörung ziehen lässt zu folgen. Das würde jedoch einen grundsätzlich anderen Gesetzesentwurf erfordern. Damit können wir leider nicht rechnen. 


DIE LINKE wird, sollten CDU und SPD das Polizeigesetz so beschließen, gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Klage vor dem Landesverfassungsgericht einreichen. Wir sind davon überzeugt, dass wesentliche Teile des Gesetzesentwurfs der Landesregierung nicht nur politisch falsch sind, sondern auch gegen die Verfassung des Landes verstoßen. 


Kampagne: »Nein zum Polizeigesetz«


Wann ich auflege, entscheide ich selbst!

Keine Überwachung und keine Unterbrechung von Telekommunikation

Durch das Gesetz soll die Polizei ermächtigt werden, Telefongespräche und Internetkommunikation umfassend zu überwachen und – bei einer durch die Polizei eingeschätzten Gefährdungslage – sogar zu unterbrechen. So genannte Gefährdungslagen können auch Demonstrationen oder Kundgebungen im Sinne des Versammlungsgesetzes sein. Die Polizei wäre damit berechtigt, die Kommunikation von Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer politischen Demonstration, wie z.B. einer Antinazidemo, nicht nur weiträumig abzuhören, sondern auch zu unterbrechen. Abhörskandale wie in Dresden, werden hierdurch nicht nur legalisiert sondern sogar getoppt. Ein Richter soll erst im Nachgang dazu gehört werden. 

Mobilfunkdienste und damit möglicherweise auch Notrufe bei einer Gefahrenlage zu unterbinden, stellen einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die Freiheit der Kommunikation eines jeden Mitmenschen dar. Die genaue Einschränkung konnte selbst von den Verfassern des Gesetzesentwurfs nicht definiert werden. Erst nach der massiven Kritik der Opposition und der kritischen Öffentlichkeit will man nun einen Katalog erarbeiten. 


Ob ich mich testen lasse, entscheide ich selbst!

Keine Zwangstests auf Verdacht

Der Gesetzentwurf beinhaltet die Möglichkeit zur Anordnung einer körperlichen Untersuchung (insbesondere Blutentnahme) gegen den Willen der betroffenen Person.

Damit soll einer möglichen Infektionsgefahr von Polizistinnen und Polizisten, Sanitätern oder Feuerwehrleuten vorgebeugt werden. Diese Untersuchung soll ohne Zustimmung eines Richters möglich sein, wenn es zu einer Übertragung einer besonders gefährlichen Krankheit gekommen sein kann.
 Doch diese Regelung kann die Gesundheit der Beamtinnen und Beamten oder den Rettungshelfern gar nicht besser schützen. Und wenn es tatsächlich zu einer Ansteckung gekommen sein sollte, dann müsste eine entsprechende Prophylaxe deutlich vor dem Eintreffen des Ergebnisses des Zwangstests einleitet werden. Bei Verdacht muss eine medikamentöse Behandlung sofort beginnen, nur das wäre medizinisch sinnvoll. Dies würde bei der Anhörung zum Gesetz von den Expertinnen und Experten klar benannt. Bisher konnte jedenfalls noch kein Fall bestätigt werden, bei dem ein solcher Zwangstest nötig gewesen wäre (siehe Kleine Anfrage, PDF).


Anstelle einen Schutz für Polizistinnen und Polizisten zu bieten, würde diese Regelung hingegen in unzulässiger Weise in die Grundrechte eingreifen. Die Formulierung »wenn bestimmte Umstände eine erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit begründen« die in der Gesetzesbegründung verwendet wird, weist darauf hin, dass in der Praxis danach entschieden wird wen man einer Risikogruppe zurechnet. Das wird soziale Minderheiten treffen, denen eine erhöhte Ansteckungsgefahr unterstellt wird. Mit diesen gesetzlichen Zwangstests würden z.B. Schwule, Wohnungslose oder Migrantinnen und Migranten, erneut stigmatisiert werden. 

 

Von wem ich mich casten lasse, entscheide ich selbst!

Nein zur Videoüberwachung bei Verkehrskontrollen

Die Videoüberwachung des öffentlichen Raums soll weiter ausgebaut werden. Wer in eine Straßenverkehrskontrolle gerät, soll künftig gefilmt werden können, weil ja die Möglichkeit besteht, dass er aggressiv werden könnte. Zufällig vorbei gehende Passanten können dabei ebenso mitgefilmt werden, wie Kinder und andere Mitfahrerinnen und Mitfahrer. Allein das schränkt Grundrechte massiv ein. Anhaltesituationen sind aber auch Kontrollpunkte, die im Vorfeld von Demonstrationen oder auch Fußballspielen eingerichtet werden, um die Anreise zu kontrollieren. Wer damit rechnen muss, registriert zu werden, weil er an einer Demonstration teilnehmen könnte, der kann von seinem Recht auf Versammlungsfreiheit nicht uneingeschränkt Gebrauch machen. In einem Rechtsstaat wäre das ein unhaltbarer Zustand.

Hinzu kommt der Verdacht, dass diese Neuregelung die »1-Mann-Streife«, wie es sie beispielsweise in den USA gibt, vorbereiten soll. Dann würde das Gesetz auch den Personalabbau bei der Polizei gesetzlich flankieren.

Wer meine Daten sehen darf, entscheide ich selbst!

Nein zu Schnüffelsoftware und Online-Überwachung

Mit Späh- und Schnüffelsoftware wie dem Staatstrojaner soll die Polizei die Möglichkeit bekommen, das Privatleben von Menschen zu durchleuchten, ohne dass überhaupt eine Straftat begangen wurde.

2008 schuf das Bundesverfassungsgericht hohe Hürden für den Einsatz von Späh- und Schnüffelsoftware. Es entwickelte dabei quasi ein neues Grundrecht: Die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Ende 2011 deckte der Chaos Computer Club (CCC) auf, dass der so genannte »Bundestrojaner« die vom BVerfG gesetzten Grenzen deutlich sprengt: »Die untersuchten Trojaner können nicht nur höchst intime Daten ausleiten, sondern bieten auch eine Fernsteuerungsfunktion zum Nachladen und Ausführen beliebiger weiterer Schadsoftware. Aufgrund von groben Design- und Implementierungsfehlern entstehen außerdem eklatante Sicherheitslücken in den infiltrierten Rechnern, die auch Dritte ausnutzen können.«


Expertinnen und Experten gehen unterdessen davon aus, dass die Implementierung eines in legalem Rahmen operierenden Staatstrojaners unmöglich ist [1]. Der sachsen-anhaltischen Landesregierung ist das egal. Sie schafft mit dem neuen Polizeigesetz die Rahmenbedingungen für diesen rechtswidrigen Einsatz von Staats- oder Bundestrojanern und anderen Ausspähprogrammen.


[1] https://www.computerwissen.de/it-sicherheit/viren-trojaner/artikel/bka-gesteht-ein-legaler-staatstrojaner-ist-nicht-moeglich.html