Polizeigesetz in Teilen verfassungswidrig

Henriette Quade, stellv. Landesvorsitzende der Partei DIE LINKE. Sachsen-Anhalt, kommentiert das Urteil des Landesverfassungsgerichtes zum neuen Polizeigesetz in Sachsen-Anhalt.

Landesverfassungsgericht: Polizeigesetz teilweise gekippt

Das seit 2013 geltende Polizeigesetz ist in Teilen verfassungswidrig. Die Landesregierung hat geschlampt und Fehler gemacht – gerade beim Handwerkszeug für diejenigen, die Recht und Gesetz wahren und durchsetzen sollen. Das Landesverfassungsgericht hat jetzt der Klage der LINKEN und der GRÜNEN in Teilen stattgegeben. Der Gang vor das Landesverfassungsgericht war der letzte Schritt, der der Opposition gegen die Stimmen der Regierungskoalition von CDU und SPD im Landtag blieb. Das Verfassungsgericht hat uns heute in unserer Überzeugung bestätigt:  Die Verfassung bleibt die Grundlage für politisches Handeln – verpflichtend auch für die Regierung. 


In fünf Punkten sieht das Gericht eine Unvereinbarkeit mit der Landesverfassung, dabei muss der Gesetzgeber in drei Fällen bis zum Jahresende 2015 verfassungskonforme Neuregelungen schaffen.   



Gekippte Regelungen


Staatstrojaner:
Die Erhebung von Telekommunikationsinhalten und -umständen ohne Wissen der betroffenen Personen (§17c SOG LSA) ist verfassungswidrig und dabei nichtig. Die Landesregierung wollte modernisieren – und ist über das Ziel hinausgeschossen. Sie hat den Polizisten Befugnisse erteilt, ohne dass die technischen Voraussetzungen in Sachsen-Anhalt vorhanden wären. Damit kann der Gesetzgeber gar nicht beurteilen, wie sehr die entsprechenden Mittel in die Grundrechte des Einzelnen eingreifen würden. Die Exekutive hat also Befugnisse auf Vorrat erteilt bekommen. Das Urteil des Gerichtes: Verfassungswidrig und damit nichtig.

Das Alkoholverbot für Kommunen (§ 94 a) auf bestimmten öffentlichen Plätzen ist gekippt, das Gericht fehlt es hier an „tragfähigen und nachvollziehbaren Sachgründen“. Schon in der Verhandlung kam es zu Debatten über Sinn und Unsinn der Transportverbote von  „Glasgetränkeverhältnissen“. Das Urteil des Gerichts: Verfassungswidrig und damit nichtig.



Weitere Hausaufgaben der Landesregierung 


Zwangsuntersuchungen: Bei der Untersuchung von Personen mit ansteckenden Krankheitserregern ist der Richtervorbehalt zwingend. Bei Gefahr in Verzug wollte die Landesregierung hier aufweichen, und die Entscheidung zur Untersuchung dem einzelnen Beamten überlassen. Dabei sind z.B. Blutentnahmen ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, eine solche Befugnis muss an die hohe Hürde der richterlichen Entscheidung gebunden bleiben. Das Urteil des Gerichtes: Die Ausnahme vom Richtervorbehalt – verfassungswidrig und damit nichtig. Nachbesserung bis zum 31.12.2015 notwendig. 


Videoüberwachungen bei Verkehrskontrollen und weitere Regelungen zur Erhebung von Telekommunikationsinhalten und -umständen: Hier fordert das Gericht verfassungskonforme Nachbesserung des Gesetzgebers bis zum 31.12.2015. 



Der Gang vor ein Verfassungsgericht braucht gewichtige Gründe. Die Befugnisse von Polizisten sind hochsensible Angelegenheiten, die Beamten greifen in ihrer alltäglichen Arbeit in die Grund- und Freiheitsrechte des Einzelnen ein. Öffentliche Sicherheit bleibt in der Demokratie immer ein Drahtseilakt zwischen Sicherheit und Freiheit, zwischen Repression und Grundrechtswahrung. Unsere Klage hat die Bürgerrechte gestärkt. 



Hintergrund: 


Die Novellierung des Polizeigesetzes im Frühjahr 2013 ist von den Oppositionsparteien im Landtag von Sachsen-Anhalt heftig kritisiert worden. Gegen das neue Polizeigesetz (Sicherheits- und Ordnungsgesetz, SOG LSA)  haben DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im November 2013 eine so genannte Normenkontrollklage eingereicht. Das Landesverfassungsgericht in Dessau-Roßlau hat am 11. November 2014 dazu geurteilt. 

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