Rede das Landesvorsitzenden Andreas Höppner

auf der 4. Tagung des 6. Landesparteitages

4. Tagung des 6. Parteitages der Partei DIE LINKE. Sachsen-Anhalt
Kulturhaus Bernburg, am 20.10.2018 

- Es gilt das gesprochene Wort –

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, sehr verehrte Gäste,

Gregor hat wie immer recht. In der Kommune, in der Gemeinde, der Stadt oder dem Dorf spielt sich das wirkliche Leben ab. Da wohnt man, hat sein persönliches Umfeld und wenn man Glück hat auch noch seine Arbeit.

Gregor hat hier aber auch ein erstes wichtiges Stichwort gegeben. Kommunalfinanzen! Nur wenn die Kommunen, Kreise, Gemeinden, Städte und Dörfer über genügend Finanzen also Geld verfügen, sind sie wirklich handlungsfähig und können gestalten.

Der wesentliche und zugleich geringe Spielraum kommunaler Gestaltung besteht bei den Städten und Gemeinden und insbesondere beim Kreis in den sogenannten freiwilligen Aufgaben und Leistungen.

Der Spielraum, den wir in der Kommunalpolitik haben, ist wegen der Vielzahl gesetzlicher Aufgaben zumeist gering. Deswegen ist es so wichtig, dass wir um den Erhalt und die Finanzierung freiwilliger Aufgaben und Leistungen als Kernelemente der kommunalen Selbstverwaltung so entschlossen kämpfen.

Kommunalpolitik ist für mich übrigens die aktive Gestalterin des Rahmens von Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Anrede

Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, als ich gefragt wurde, ob ich bereit wäre, in meinem Heimatdorf in der Altmark den Ortsbürgermeisterposten zu übernehmen. Das war nach der Gemeindegebietsreform und die Hansestadt Gardelegen stieg zur drittgrößten Stadt der Bundesrepublik auf. Flächenmäßig versteht sich. Aber mit dieser zunehmenden Größe gab es natürlich nicht unbedingt mehr finanzielle Mittel, sondern das Gegenteil war der Fall. Überall hieß es nur noch, wir müssen sparen, drosseln und auch das Tafelsilber verkaufen.

Im Ortschafts- und Stadtrat war ich bereits etwas länger und mir war somit klar, was es heißen würde, Ortsbürgermeister zu sein.

Erstens, du hast kein Geld und keine Mitbestimmung mehr. Zweitens, du hast kein Geld und keine Mitbestimmung mehr und drittens, du hast überhaupt kein Geld und überhaupt keine Mitbestimmung mehr, um etwas zu gestalten.

Ganz tolle Voraussetzungen also und ich weiß, dass aus diesen Gründen viele der Kommunalpolitik den Rücken gekehrt haben. Aber wer, wenn nicht wir, DIE LINKE, nehmen solche und ähnliche Herausforderungen gerne an und lassen uns da nicht unterkriegen.

Ein Bekannter sagte mir in diesem Zusammenhang einmal einen Spruch:

„Kommunalpolitik ist, wenn man trotzdem lacht und trotzdem mitmacht!“ und wie ich als Ortsbürgermeister dann erfahren durfte geht da was.

Plötzlich bewegte sich wieder etwas. Menschen kamen zusammen um Projekte im Dorf zu gestalten und ja auch ordentlich zu feiern.

Viele unserer Kommunalpolitiker in Kreis, Stadt und Land stellten und stellen sich den Herausforderungen und waren dabei in den letzten Jahren auch sehr erfolgreich und können konkrete Erfolge nachweisen. Darüber haben wir auch in unseren Regionalkonferenzen debattiert und diese Erfahrungen ausgetauscht und gesammelt. Und deshalb ist es mir an der Stelle wichtig, namens des Landesvorstandes Danke zu sagen an unsere Landrätin und unserem Landrat, unseren Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, incl. den Ortsbürgermeistern natürlich. Danke allen Mitgliedern in den Kreistagen, Stadträten und Ortschaftsräten, unseren vielen, vielen sachkundigen Einwohnerrinnen und Einwohnern, den vielen, vielen Helferinnen und Helfern vor Ort und im Ort und unseren Kandidatinnen und Kandidaten.

Vielen Dank Euch allen für die geleistete Arbeit sowie den Einsatz für unsere LINKE und genau diesen Beifall habt Ihr Euch jetzt und hier verdient.

Anrede

Wenn ich mich jetzt nicht verrechnet habe, sind es noch 219 Tage bis zu den Kommunal- und Europawahlen am 26. Mai 2019.

Der Wahltag rückt somit unaufhörlich näher. Und damit natürlich auch die noch vor uns stehenden Aufgaben. Die Kommunal- und Europawahlen werden wieder einmal unsere ganze Kraft in Anspruch nehmen. Ich bin mir aber sicher, dass wir gemeinsam alle anstehenden Dinge bewältigen werden.

Mit dem heutigen Parteitag werden wir einen weiteren wichtigen Schritt in der Vorbereitung der Wahlen gehen. Wir wollen am heutigen Samstag mit einer Vielzahl von Beschlussfassungen auch die inhaltlichen Grundlagen zu den Wahlen in 2019 legen.

Unsere Politik zeichnet sich besonders dadurch aus, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und ja auch auf sie zu hören. Ihnen wirklich zuzuhören und auch zu lernen. Damit sich die Menschen verstanden fühlen. Dialog zwischen Menschen, Politik und Verwaltung ist ein Schlüssel dazu. Wir praktizieren das eigentlich in vielen Fällen schon recht erfolgreich und machen die Erfahrung, dass die Menschen mitgestalten möchten und sich auch zu Wort melden. Sie sollen und müssen auch mitgestalten, denn die Stadt und das Dorf gehen uns alle an.

Dazu gehört auch, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Ohne entsprechende Investitionen werden wir ansonsten überall an Boden verlieren. Auch für unsere Infrastruktur gilt: Ein präventives Eingreifen ist wirtschaftlich sinnvoller als umfangreiche, teure Erneuerungen. Wenn sich an der Fassade eines Hauses erste Risse zeigen, was macht man dann?

Wartet man, bis der ganze Giebel herunterfällt? Nein, man sorgt vor und pflegt sein Vermögen und erhält es damit bzw. baut es sogar noch aus.

Diese Strategie ist Teil des Konzepts und zu Lösungen kommt man, Genossinnen und Genossen, wenn man einen „roten Faden“ hat. Wenn man weiß, wo man steht und welchen Punkt man erreichen will.

Häufig werden Verwaltungen ja mit privaten Unternehmen verglichen. Aber in einer Stadt, in einem Dorf geht es um mehr, viel mehr. Es geht um die Menschen und deren Zusammenleben, und das so optimal wie möglich zu gestalten. Da braucht es einfach mehr als nur die Anwendung von Wirtschaftsfaktoren.

Wenn man sich mit Kinder- und Jugendlichen unterhält, stellt man fest, dass es an Angeboten fehlt und sie deshalb immer noch in Erwägung ziehen, Sachsen-Anhalt zu verlassen. Es geht also darum, junge Menschen zum Verbleib in Sachsen-Anhalt zu gewinnen!

Ich hatte einmal ein interessantes Gespräch mit einer Familie mit zwei Kindern. Die haben sich die Entscheidung, nach Gardelegen zu ziehen, nicht einfach gemacht. Die Eltern sind dabei ziemlich strukturiert vorgegangen, haben Vorzüge und Nachteile bewertet. Das Resultat war, dass Gardelegen kein absolutes Highlight hat und ist (Das sehe ich übrigens anders!), aber die Summe der Positiv-Punkte hat in diesem Fall den Ausschlag für Gardelegen gegeben. Wohnortnahe und sanierte Schulen und Kindergärten, eine gute

Bibliothek und auch genügend Gastronomie bei erschwinglichen Baulandpreisen sowie gute Verkehrsanbindung zur Arbeitsstätte sind Argumente, die überzeugten. Deshalb halte ich es auch für wichtig, dass die genannten Dinge und Vorzüge weiter entwickelt werden. Gerade der ländliche Raum braucht eine weitere und stärkere Profilierung als attraktiver Wohn- und ja auch Wirtschaftsstandort.

Gerade der ländliche Raum ist in der Vergangenheit immer weiter vernachlässigt worden. Da wurden Schulen und Kitas geschlossen. Lehrer und Ärzte sind nach wie vor schwer für das Dorf oder die Kleinstadt zu gewinnen. Strecken für Bus und Bahn wurden gekürzt oder gleich ganz gestrichen. Dorfgemeinschaftshäuser wurden geschlossen und verkauft. Auch Kinos, Theater und Kneipen sind Mangelware in der Fläche.

Das ist zugegebenermaßen eine sehr schwierige Baustelle und auch für uns eine große Herausforderung. Allein mit der Forderung nach gleichwertigen Lebensbedingungen können auch wir das nicht abändern. Da braucht es mehr und eine völlig andere Denke.

Um das zu schaffen, brauchen die Kommunen mehr Luft und Möglichkeiten, um gerade die sogenannten freiwilligen kommunalen Leistungen auszubauen und zu gewährleisten. Was sind freiwillige, kommunale Leistungen? Schon die Abgrenzung zu den gesetzlichen Aufgaben ist teilweise schwierig. Das wichtigste Beispiel sind für mich die Feuerwehren. Fast alle Feuerwehren im ländlichen Raum sind „freiwillige“. D.h., keiner wird zum Dienst in der Feuerwehr gezwungen. Natürlich braucht es auch hauptamtliche und bezahlte Strukturen bei Feuerwehr, Hilfs- und Rettungsdiensten. Aber ohne Ehrenamtliche und Freiwillige wäre kein Feuerwehreinsatz und auch kein Rotkreuzeinsatz denkbar. Dabei geht es um den Schutz und die Rettung von Menschenleben. Hier ist unsere Gesellschaft, sind wir alle auch auf freiwilliges Engagement angewiesen.

Fast genauso wichtig sind Ehrenamt und freiwillige Initiativen, wenn es um soziale Hilfen, den Schutz der Natur, die Förderung der Kultur, vor allem aber um den Sport geht. Es geht um Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport! Und es geht um die vor- und außerschulische Bildungsarbeit, die Tausende von ehrenamtlichen Trainern und Übungsleitern im Sport für unsere Kinder und Jugendlichen in unserer Gesellschaft leisten. Diese Leistungen sind nicht hoch genug anzuerkennen und dabei muss es doch möglich sein, dass Turnhallen und Sportstätten, vor allem für Kinder und Jugendliche unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden können. Das gehört einfach zu den Grundelementen der kommunalen Selbstverwaltung. Das gleiche gilt für Schwimmbäder und viele andere kulturelle Einrichtungen. Es darf nicht mehr heißen: "wann schließen wir das Bad?" Viel eher muss es doch heißen: "Ja, jetzt sanieren wir unser Bad und machen es wieder schick oder bauen es sogar neu." Das nenne ich zukunftsweisende Politik und das wäre der richtige Weg nach vorne.

Und wenn wir dabei mal in das aktuelle Positionspapier des Landkreistages schauen, könnte man glatt denken, da ist in großen Teilen von links abgeschrieben.

Die Landkreise erwarten wesentlich mehr Unterstützung und die ländliche Entwicklung soll gleichberechtigt gefördert werden. Man stellt fest, dass der ländliche Raum nun mal kein einheitliches Gebiet ist und mit völlig anderen Maßstäben betrachtet werden muss.

In den Schwerpunkten werden weiter genannt:

  • Flächendeckende Glasfasernetze
  • Ausbau und Investition in Infrastruktur
  • Auskömmliche Finanzierung
  • Digitalisierung der Schulen
  • Stärkung des Ehrenamtes usw.

Also Forderungen, die auch wir stellen und somit unterstreichen können. Anrede

Die Euch heute vorliegenden Papiere sind in einer sehr breiten Diskussion mit den Akteuren der Kommunalpolitik in den Kreis-, Stadt- und Ortsverbänden sowie den AGs, dem Landesverband und den Fraktionen erarbeitet, diskutiert und zusammengestellt worden. Dabei gebe ich zu, dass dieser Prozess nicht immer reibungslos verlaufen ist und uns die Zeit immer wieder im Nacken saß.

Da wurden eine Menge Standpunkte ausgetauscht und sich manchmal auch von Liebgewonnenes verabschiedet. Da wurde aber auch viel Aktuelles und Neues aufgenommen, denn die Zeit bleibt nun mal nicht stehen und auch wir sammeln immer wieder neue Erfahrungen, die es gilt zu teilen.

Das Resultat zeigt aber, dass es gut war, das alles in dieser Breite zu organisieren.

Es liegt uns nun ein Papier vor, welches sicherlich einen guten Rahmen bietet, in dem alle einen entsprechenden Handlungsspielraum haben bzw. diesen dort wiederfinden.

Im Übrigen finde ich es auch sehr gut, dass es eine Reihe von Änderungs- bzw. Ergänzungsanträgen gibt.

Das zeugt erst einmal davon, dass man sich damit intensiv befasst hat und vor allem seine Sachkompetenz hier weiter mit einbringt. Das ist gut und richtig, denn die vorliegenden Papiere sollen natürlich eine gewisse Lebendigkeit und Begeisterung entfalten. Ja, sie sollen zum Mitmachen auffordern und einladen. Denn es hilft uns nicht weiter, wenn wir regelmäßig eine Menge Papier beschreiben und diese bereits am morgigen Tag in der Versenkung verschwinden.

Es gilt aber auch, von den erfolgreichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker zu lernen. Wir haben ein enormes Potential an Linken, denen die Menschen ihr Vertrauen geschenkt haben. Mit ihnen werden wir uns eng abstimmen, um die Kommunalwahl optimal weiter vorzubereiten.

Es gilt, Menschen für die Mitarbeit zu gewinnen. Wir werden daher in Zusammenarbeit mit den Kreis- und Ortsverbänden weiterhin in engem Kontakt bleiben, um den Bedarf an Unterstützung zu erfahren. Die politischen Initiativen im Landtag, Bundestag und im Europaparlament werden wir, wo immer das thematisch geht, so aufbereiten, dass sie für die Arbeit in den Städten, Gemeinden und Kreistagen nutzbar sind. Wer die Landesseite nicht so intensiv liest – und das tun leider viele Bürgerinnen und Bürger im Land –, der muss über DIE LINKE vor Ort die Themen wieder erkennen.

Wir werden aber auch den Diskurs über die dauerhafte Sicherung des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft weiter anstoßen und führen. Verbände, gesellschaftliche Gruppen und Vereine, Bürgerinitiativen und nicht zuletzt die Gewerkschaften und Kirchen sind für uns dabei wertvolle Partner. Es gilt in Sachsen- Anhalt allen Menschen eine gute Chance und Perspektive für ein gutes Leben zu geben.

Und diese Sorge, liebe Genossinnen und Genossen, muss unsere Arbeit bestimmen. Die Sorge um über 130 000 junge Menschen unter 25 Jahren, die bei uns in Sachsen-

Anhalt von Armut bedroht sind. Die Sorge um 1800 Mädchen und Jungen, die im letzten Jahr die Schule ohne jeden Abschluss verlassen haben oder um die rund 100 000 Frauen und Männer, die bei uns im Land arbeitslos sind.

Kümmern wir uns darum, dass der ländliche Raum nicht weiter abgehängt wird und man sich in den Städten sich die Mieten noch leisten kann und diese nicht das ganze Einkommen auffressen.

Wer, wenn nicht DIE LINKE soll für diese Menschen Gerechtigkeit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erstreiten?

Was wäre mit der solidarischen Sicherung ohne DIE LINKE?! Wir stehen zu unserer Verantwortung in der Gemeinde und in der Gesellschaft. Und es bleibt unser Anspruch, auch weiter Impulsgeber zu bleiben.

Liebe Genossinnen und Genossen, zu tun gibt es also genug für uns im Land und in den Kommunen. Warum fällt es uns aber manchmal so schwer, für unsere Überzeugungen und Ziele die erforderlichen Mehrheiten zu erhalten oder überhaupt mehr zu werden?

Ich glaube, wir dürfen, nein, wir müssen auch mal wieder kantiger werden. Wir müssen lauter in unseren Forderungen werden und ja, wir dürfen auch mal wieder richtig anecken. Und natürlich müssen wir auch laut sagen: „Wir sind dagegen!“ Aber auch mit Vorschlägen und Rezepten, wie es besser gehen kann auf dem Dorf, in der Stadt und im ganzen Land müssen wir dabei sein.

Wir dürfen uns einfach nicht anpassen und die Gegebenheiten hinnehmen. Bei Privatisierungen von öffentlichen Eigentum und Gesundheitseinrichtungen müssen wir klar NEIN sagen und nicht rumeiern.

Ja, und lasst uns viele Menschen einsammeln, die mit uns kämpfen und für uns kämpfen, für diese LINKE, denn wir haben nur die Eine.

Und lasst uns einfach mehr machen und anpacken, als 500 Seiten Papier zu beschreiben. Packen wir einfach überall vor Ort mit an, in der Feuerwehr, dem Sportverein, im Kulturverein und auch in den Parlamenten. Dann klappt das auch mit dem Sammeln von Mitstreitern sowie Wählerinnen und Wählern, liebe Genossinnen und Genossen.

Auf dem Land und in der Stadt geht mehr, wenn man denn wirklich will. Und noch mehr geht mit uns, mit Links.

Packen wir es also an. Lasst uns mit Geschlossenheit, mit Kompetenz und Kreativität und mit sozialer Verantwortung und Solidarität gegenüber den Schwächeren, gegenüber allen, die hier sind, die zu uns gekommen sind und noch zu uns kommen werden, in die Kommunal- und Europawahl gehen. Lasst uns das Ding rocken!

Ich danke Euch!