Gerechtigkeit verbindet

Leitantrag an die 1. Tagung des 6. Landesparteitages der Partei DIE LINKE. Sachsen-Anhalt am 18. Februar 2017 in Lutherstadt Wittenberg

Wer bedroht den sozialen Frieden? Die Armen oder die Reichen? Die Zuwanderer oder die Einheimischen? Soll Angst weiter die öffentliche Rede bestimmen, soll Gewalt die öffentliche Auseinandersetzung verrohen? Immer lauter wird in unserer Gesellschaft gestritten. Aber worüber – über Normen, Zuwanderung und Terrorgefahr. Sind das die grundlegenden Themen für unsere Zukunft? 

DIE LINKE fragt dagegen nach dem Weg für mehr Zusammenhalt: Wir wollen streiten für mehr Gerechtigkeit, verlässliche soziale Sicherheit und bessere Chancengleichheit. Für eine gerechtere Weltordnung, die Kriege, Klimakatastrophen und Armut wirksam bekämpfen kann. Unsere Aufgabe ist es, die Scheinwerfer zu drehen: Von unten nach oben. Der gesellschaftliche Reichtum wird immer ungerechter verteilt. In den Händen weniger konzentrieren sich immer größere Vermögen, während das Heer der Armen wächst und die Mittelschicht schrumpft. Grade einmal 100 Menschen halten 50 Prozent des weltweiten Reichtums in ihren Händen. In Deutschland gehört die Hälfte der gesamten Vermögen nur den obersten zehn Prozent. Die Löhne schleichen, die Gewinne rennen. Und die Politik paktiert im Namen von Wirtschaftskraft und Standortvorteil zu oft mit den Besitzenden.

Und, je reicher die Reichen werden, desto mehr koppeln sie sich ab. Geschützt vom Blick des Alltags, sind die wirklichen Parallelwelten entstanden. Minderheitenrechte, wohin man schaut, Zusatzzahlungen für Aufsichtsräte, Prämien für Börsenmakler, Steuergeschenke für reiche Erben, für Immobilienbesitzer, für Vermögende. Wer von seinem Kapital lebt, zahlt weniger als derjenige, der einer Lohnarbeit nachgeht. Wer gut verdient, bekommt mehr Leistungen einer privaten Krankenversicherung und kann in Würde altern.

Dennoch ist der Blick vieler gebannt: Je mehr die Mitte vom Abstieg bedroht ist, desto genauer schaut sie auf die Leistungen für die Armen. Je stärker die Konkurrenz auf der Arbeit, desto ängstlicher der Blick auf die, die zu uns kommen. Je mehr die Arbeit mit dem Digitalen verwächst, desto beklommener der Blick vieler, die von ihrer Hände Arbeit leben. Je näher die Kriege der Welt rücken, desto misstrauischer der Blick zum eigenen Türschloss. Der neoliberale Umbau der Gesellschaft hat Spuren hinterlassen. Privat vor Staat hieß die Devise, wer nicht mitkommt, sich nicht durchsetzt, nichts ansparen kann, hat eben Pech gehabt. 

Wir sagen: Schluss mit dem Ausspielen von Gruppen, Schluss mit Panikmache und dem Ziehen der nationalen Karte. Solidarität statt Neid muss die Devise heißen. DIE LINKE wird sich anlegen mit den Mächtigen: Reiche und Superreiche durch eine Millionärs- und eine Vermögenssteuer stärker in die Verantwortung nehmen. Ein höherer Spitzensteuersatz und eine wirkliche Erbschaftssteuer für die Finanzierung unseres Gemeinwesens. Wer Armut aufhalten will, muss Reichtum begrenzen. Nicht private Wohltätigkeit, sondern ein wieder funktionierender Sozialstaat ist die Antwort auf die wachsende Ungleichheit. Eine leistungsfähige öffentliche Infrastruktur – von Bus und Bahn bis zur Polizeistation – braucht öffentliche Finanzierung. Eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle einzahlen. Eine Rentenzukunft, vor der man sich nicht fürchten muss. Der Mindestlohn auf der einen Seite braucht auch einen Höchstlohn auf der anderen. Ungleichheit verschwindet nicht über Nacht: Nicht Tafeln sollen unsere Kinder satt machen, sondern gutes Essen in KITA, Schule und Zuhause. 

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dennoch wird sie beschädigt. Jeden Tag. Durch Armut und Ausgrenzung. Durch Alter und Krankheit. Durch digitale Überwachung. Durch Gewalt und Krieg. Mit der Aufnahme von Geflüchteten haben wir Menschen in Not endlich Schutz gegeben. Wer sein Leben rettet, will danach auch ein Leben führen. DIE LINKE setzt sich dafür ein – gemeinsam mit vielen Tausenden Helferinnen und Helfern. Wir kämpfen zusammen gegen die Flamme des Hasses, die mit neuer Kraft lodert, gegen rassistische Abwertung und gegen die alten und neuen Geschichten von Sündenböcken und vom Kampf der Kulturen. Die Erklärung der allgemeinen Menschenrechte ist kein Ergebnis deutscher Leitkultur, die entstand vor dem Eindruck der entsetzlichen Verbrechen des Naziregimes. Wer mehr Gleichberechtigung, Geschlechtergerechtigkeit und Gerechtigkeit durchsetzen will, kann nicht gleichzeitig Mauern bauen. 

Im Schlepptau des Rassismus erleben wir die Wiederkehr vergangenen geglaubter Schlachten: Die Familie wird verteidigt, obwohl sie niemand angreift. Frauenrechte sind plötzlich Herzensangelegenheit der Stammtische. Die Rechte von Lesben und Schwulen werden angriffen, als würde ein Zurück ins Verborgene irgendjemandem dienen. Das eigene Glück wird nicht größer, indem wir es anderen verwehren. DIE LINKE kämpft mit denen, die Selbstermächtigung und Solidarität zusammenbinden.

Zusammen mit denen, die sich von globaler Ausbeutung, Gewalt und Klimawandel bedroht fühlen statt von Menschen- und Frauenrechten. Gemeinsam mit denen, die sich nicht wie in TTIP den Rechtsstaat durch Konzerne aushebeln lassen. Gemeinsam mit denen, die sich in der Abwägung von Sicherheit und Freiheit nicht durch Angst blind machen wollen. 

Das Integrationshemmnis Nummer Eins ist Armut, nicht die Religion, nicht das Geschlecht, nicht die Kultur. Ein Wohlstand, mit dem sich Familien gründen lassen, das lange geltende Aufstiegsversprechen durch Bildung für jedermann, die Zuversicht, dass es den eigenen Kindern besser gehen wird als einem selbst, die Sicherheit im Alter, all dies ist nicht durch das Fremde bedroht, sondern durch soziale Ungleichheit. Durch gute Bildung, auskömmliche Jobs und eine gerechtere Vermögensverteilung gewinnen alle. DIE LINKE ist die soziale Stimme in der Bundesrepublik und wichtige Kraft für ein gemeinsames Europa. Wir kämpfen mit allen, die bei dieser Bundestagswahl eine gerechte Gesellschaft als Antwort auf diese Zeit sehen.

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